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Schattentraeumer - Roman

Schattentraeumer - Roman

Titel: Schattentraeumer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Busfield
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entkommen. Er saß in der Falle.
     Hin und wieder trat eine Frau zu ihm und versuchte ihn zu beruhigen. Ihre Haut war ledrig, aber ihre Berührungen waren sanft.
     Irgendwo in der Ferne läuteten Glocken.
    Als der Schlaf endlich seinen Griff zu lösen begann, stellte Loukis fest, dass er in einem Bett lag, unter einer Häkeldecke.
     Und dass er nackt war. Ein Holzfeuer sorgte für wohlige Wärme, und in der Nähe des Fensters stand auf einem kleinen Teppich
     eine alte Frau. Die Hände hielt sie vor ihrer üppigen Brust verschränkt. Nach wenigen Sekunden ließ sie die Arme neben den
     Körper sinken, kniete nieder und beugte sich vor, bis Stirn und Nase den Boden berührte. Dann richtete sie den Oberkörper
     wieder auf, drehte den Kopf erst nach rechts, dann nach links und warf sich ein weiteres Mal nieder. Verwirrt fragte Loukis
     sich, wie es sein konnte, dass er nackt im Haus einer zyprischen Muslimin lag, die er sein Lebtag noch nicht gesehen hatte.
    »Na, hast du dich entschieden, zu uns zurückzukehren?«, fragte die alte Frau, als sie beim Zusammenrollen ihres Gebetsteppichs
     sah, dass er sie anschaute.
    »Wo bin ich?«
    »In Pano Platres«, erwiderte sie. »Ruh dich aus, ich werde dir etwas zu essen bringen. Du musst einen Bärenhunger haben.«
    Sie brachte ihm einen dampfenden Teller Eintopf aus Kartoffeln und altem Hühnerfleisch und nannte ihm ihren Namen: Havva Husseyin.
     Ihr Mann war schon lange tot, und ihre Söhne lebten in Lefkoşa. Sie waren gute Jungs. Im Unterschied zu so manch anderen.
    »Wie bin ich hierhergekommen?«, fragte Loukis.
    Die Frau schüttelte den Kopf und lachte leise.
    »Oh, ja, das ist eine schöne Geschichte«, sagte sie. »Ich wette, sie wird dir gefallen … Die Briten haben dich hergebracht.«
    Havva erzählte, dass sie drei Tage zuvor mitangesehen hatte, wie Loukis »vom Himmel gefallen« und direkt vor einem Militärfahrzeug
     gelandet war.
    »Du warst in einem fürchterlichen Zustand«, fuhr die alte Frau fort. »Deine Kleidung war von oben bis unten zerrissen, deine
     Hände bluteten, und dein Gesicht war völlig zerkratzt. Die Soldaten hatten keine Ahnung, was sie mit dir anstellen sollten.
     Außerdem hast du ein Höllenspektakel veranstaltet, zum Glück war nichts von dem, was du von dir gegeben hast, als Griechisch
     zu identifizieren. Wie auch immer, du sahst hilflos aus, und ich beschloss, dich zu retten. Ich hab den Soldaten erzählt,
     du seist mein geisteskranker Enkel, da haben sie dich hierhergebracht.«
    »Warum?«
    »Na, ich konnte dich ja wohl schlecht selbst tragen. Weißt du, wie groß du bist?«
    »Ich meine«, begann Loukis noch einmal, »warum haben Sie beschlossen, mich zu retten?«
    »Ach so, das. Ja, weißt du, ich hab nicht die leiseste Ahnung. Vielleicht, weil du mir leidgetan hast.« Havva stand auf und
     zogdie Vorhänge zurück. »Du hast vielleicht die Statur eines Mannes, aber du bist noch immer ein Kind, und da hat sich mein Mutterherz
     wohl erweichen lassen. Ich weiß nicht, was dir zugestoßen ist oder was du getan hast, um in eine solche Verfassung zu geraten
     … Mein Gewissen jedenfalls sagte mir, dass ich dich nicht einfach da liegen lassen kann, und so bist du hier gelandet.«
    Die Güte der alten Frau verwirrte und rührte Loukis gleichermaßen. Er wusste nicht, was er sagen sollte, und so bedankte er
     sich lediglich matt. Erschöpft glitt er wieder in den Schlaf.
    In den Tagen darauf päppelte Havva ihren Schützling wieder auf, und Loukis ergab sich bereitwillig ihrer Pflege, lauschte
     ihren Geschichten und Kindheitserinnerungen, die in einem der vielen gemischten Dörfer der Insel spielten. In einer Zeit,
     in der nicht Elend oder Unrecht vorherrschten. Nein, Havva teilte mit ihm die glücklichen Erinnerungen an ein einfacheres
     Leben, und half ihm damit, seinen eigenen Schmerz zu lindern.
    »Also, wer ist Praxi?«, erkundigte sie sich am dritten Tag seiner Genesung.
    Verdutzt öffnete Loukis den Mund, doch er brachte kein Wort hervor.
    »Während du schliefst, hast du immer wieder nach deiner Mutter gerufen, und nach Praxi. Ist sie deine Freundin? Oder gar deine
     Frau?«
    »Nein«, gestand Loukis bedauernd. »Noch nicht jedenfalls«, fügte er hinzu.
    »Na, das hört sich aber doch so an, als ließe sich daran etwas ändern.« Havva lächelte.
    »Ja«, gab er zurück. »Wenn die Insel frei ist.«
    »Ach, du meine Güte!«, rief Havva und legte die Hände an ihre Wangen. »In der ganzen Aufregung, dass du endlich wach

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