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Schattentraeumer - Roman

Schattentraeumer - Roman

Titel: Schattentraeumer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Busfield
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Meeresbrise dabei helfen würde, einen klaren Kopf zu bekommen.
    Die Lage in Lefkosia war zum Verzweifeln. Vor ein paar Monaten hatte ein britischer General versucht, die beiden Kriegsparteien
     der Hauptstadt auseinanderzuhalten, indem er die Stadt in zwei Teile geteilt und eine Grenze zwischen zwanzigtausend türkischen
     und vierzigtausend griechischen Zyprern gezogen hatte.
    »Einst hieß es: teilen und herrschen. Jetzt heißt es: teilen und auf das Beste hoffen«, war der Kommentar von Michalakis’
     Herausgeber zur Grünen Linie – und es war die erste ehrliche Beurteilung, die der Journalist seit langem gehört hatte.
    Obwohl
Die Stimme
der übrigen griechischen Presse angepasst war, bewahrte sich die Zeitung einen Hauch von Integrität, indem sie von Akademikern
     und Kommunisten verfasste Stellungnahmen abdruckte, welche die Schilderungen einer türkischenRevolte gegen die Republik in Frage stellten. Die Verbrechen auf der Insel wurden von beiden Seiten begangen, dennoch zogen
     die Medien es vor, ihre voreingenommenen Leser überwiegend mit einseitigen Berichten zu versorgen. Und auch wenn sich
Die Stimme
vielleicht nicht ganz so schuldig machte wie andere Zeitungen, spürte Michalakis das Blut von seinen Fingern tropfen. Als
     er eindeutige Beweise der internationalen Presse zum Anlass nahm, einen kleinen Bericht über das Massengrab zu schreiben,
     das in Ayios Vasilios entdeckt worden war, erhielt er am nächsten Tag zwölf Hassbriefe.
    In ganz Lefkosia und den dazugehörigen Vororten fanden unaufhörlich Kämpfe statt, in denen sich private Milizen als Richter,
     Geschworene und Vollstrecker aufspielten. Hunderte Menschen waren aus ihren Häusern geflohen, und während sich die Flammen
     des Hasses auf immer mehr Bezirke ausbreiteten, stieß die Interimsfriedenstruppe an ihre Grenzen. Unterdessen sammelten sich
     an der Südküste der Türkei Zehntausende Soldaten, was die Vereinten Nationen dazu veranlasste, eine eigene Friedenstruppe
     zusammenzustellen, um die türkischen Einheiten von der Insel fernzuhalten. Die Gräuel nahmen indes kein Ende: Menschen wurden
     beim Einkaufen als Geiseln genommen, Stadtteile wurden belagert, junge Idealisten starben ebenso wie Kriegstreiber. Als endlich
     die Friedenstruppen auf der Insel eintrafen, erwies sich deren Anwesenheit als wenig abschreckend: Die Blauhelme durften nur
     zur Selbstverteidigung schießen – wenn also die zyprischen Kontrahenten sich gegenseitig umbringen wollten, konnten die internationalen
     Truppen meist nur tatenlos zusehen.
    Auf dem Weg von der Hauptstadt in sein Heimatdorf hatte Michalakis am Morgen mehrere finnische Soldaten passiert, die an einem
     Kontrollpunkt an der Einfahrt zum Keryneia-Pass Wache hielten. Sie baten ihn freundlich, sich auszuweisen, und wünschten ihm
     dann eine gute Weiterfahrt.
    Plötzlich entdeckte er in etwa zweihundert Meter Entfernung vom Festland eine Gestalt, die mit dem Gesicht nach unten im Wasser
     trieb. Michalakis riss sich die Schuhe von denFüßen und stürzte sich kopfüber in die mannshohen Wellen. Mehr als ein rotes Kleid und schwarze Haare konnte er zunächst nicht
     erkennen, als er aber den im Wasser treibenden Frauenkörper erreichte, schrie er entsetzt auf.
    »Maria! Was zum Teufel …!«
    Zwischen Husten und Spucken wirkte das Mädchen zunächst verwirrt, als sie dann ihren Retter erkannte, huschte ein verzweifelter
     Ausdruck über ihr ausgemergeltes Gesicht. Sie riss sich los, stürzte zurück in das eiskalte Wasser und zog Michalakis mit
     sich in die Tiefe. Er packte sie am Bauch, wuchtete sie mit aller Kraft an die Oberfläche. Maria wehrte sich aus Leibeskräften,
     so dass Michalakis große Mühe hatte, sie beide beim Schwimmen über Wasser zu halten. Doch er war stärker als sie und schaffte
     es, sie an den Strand zu befördern, wo er vollkommen erschöpft neben ihr zusammenbrach.
    Maria spuckte Unmengen Salzwasser und schlug so lange in verzweifelter Wut mit der Faust gegen den steinigen Boden, bis ihre
     Knöchel bluteten.
    »Warum lässt mich keiner sterben?«, schrie sie.
     
    »Warum hast du mir erzählt, Praxi sei wieder in Keryneia?«
    Dhespina versuchte verzweifelt, dem Blick ihres Sohnes standzuhalten, doch nur die Wahrheit hätte ihr die Kraft dazu gegeben.
    Nach einer Weile flüsterte sie: »Ich wollte, dass du dich erholst«, und Georgios griff nach ihrer Hand.
    Loukis schüttelte langsam den Kopf. Er war nicht zornig – er war überrascht. Er hatte noch nie

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