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Schattenturm

Schattenturm

Titel: Schattenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Barclay
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Straße, die hinter einer kurzen Häuserzeile verlief. Schließlich standen sie vor dem Eingangsschild zur Seascapes-Ferienhausanlage.
    Genau vor ihnen lag eine unbebaute, von Bäumen gesäumte Sackgasse. Links senkte sie sich hinunter zu einer zweiten, breiteren Sackgasse, an der fünfzehn Vier-Zimmer-Ferienhäuser standen. Nur in drei Häusern brannte Licht. Shauns Chefin, Betty Shanley, die Managerin von Seascapes, wohnte im ersten Haus, schlief in dieser Nacht aber in der Stadt.
    Shaun und Katie bogen rechts ab, rannten an den Bäumen vorbei und den Abhang hinunter. Ehe Shaun den Schlüssel ins Türschloss des Hauses Nummer 15 schob, schauten er und Katie sich rasch nach allen Seiten um. Dann huschten beide in die Diele.
    »Ich habe die Heizung vorhin eingeschaltet«, sagte Shaun.
    »Man riecht’s.« Katie rümpfte die Nase, als ihr der schale Geruch des Speicherofens entgegenschlug.
    »Willst du dir lieber den Hintern abfrieren?«
    »Nein.«
    »Hast du ein schlechtes Gewissen?«
    »Ein bisschen.«
    »Ich auch. Wegen Mrs Shanley. Sie ist sehr nett zu mir. Sie war schon nett zu meiner Mutter, als sie als Au-pair-Mädchen bei ihr war.«
    »Als unsere Eltern so alt waren wie wir, haben sie sicher auch Dinge getan, von denen keiner wissen durfte«, sagte Katie.
    »Stimmt.« Shaun lächelte. »Ich hab eine Überraschung für dich.«
    »Eine Überraschung?«
    »Schau in den Kühlschrank.«
    Katie öffnete die Kühlschranktür. Sie entdeckte einen kleinen Schokoladenkuchen in Herzform, eine halbe Flasche Wein und eine weiße Rose.
    »Das ist das schönste Geschenk, das ich je bekommen habe«, sagte sie und lächelte Shaun an.
    »Es ist nicht besonders originell, aber was soll’s.«
    »Es ist wunderschön. Ich liebe dich.«
    John Miller lehnte betrunken an der Theke. Seine Hand umklammerte ein Guinnessglas, daneben stand ein Whiskey pur. Ed Danaher hörte Miller zu und nickte hin und wieder geduldig. Normalerweise war er ein in sich gekehrter Mann. Doch die Menschen vertrauten sich ihm an, denn mitunter gab er nützliche Lebensweisheiten von sich.
    Nun strich er über die Spitzen seines schwarzen Schnurrbarts und schob dann die Ärmel seines weißen Hemdes hoch. »Tatsache, John?«, sagte er. »Das ist ja schrecklich. Was hast du dann getan?«
    »Ich habe mit dem Saufen angefangen«, gestand John grinsend. Ed jedoch schüttete den Kopf.
    »Aber jetzt mal im Ernst«, sagte John. »Ich hatte bei einem Freund gewohnt, der ein noch größerer Loser war als ich. Wir haben beide getrunken, um zu vergessen … morgens, mittags, abends. Dann kam mein Bruder Emmett, um mich abzuholen. Sally hatte einen Gerichtsbeschluss gegen mich erwirkt, dass ich die Kinder nicht sehen durfte.« Tränen traten ihm in die Augen, doch sein Kummer verwandelte sich rasch in Wut. »Ich darf meine eigenen Kinder nicht sehen, verdammt!« Unsicher drehte er sich auf dem Hocker um, presste die Ellbogen gegen die Rückenlehne und ließ den Blick durch die Kneipe schweifen.
    Joe trat ein und kam an die Theke.
    »Hallo, Joe«, begrüßte Ed ihn. »Wie läuft’s? Wie geht es deiner Frau?«
    »Alles in Ordnung. Anna hat ein paar Probleme mit dem Leuchtturm, aber du kennst sie ja …«
    »Ah, Sie sind das«, sagte John.
    Joe blickte ihn verwundert an. John streckte ihm die Hand hin.
    »John Miller.«
    »Joe Lucchesi.«
    »Ich weiß«, sagte John. »Annas Ehemann. Shauns Vater …«
    »Arbeiten Sie beim Geheimdienst?«, fragte Joe mit einem flüchtigen Lächeln.
    »Als Ortsansässiger ist man über alles im Bilde«, sagte John.
    »Ach ja?«, erwiderte Joe kurz angebunden und versuchte, Eds Aufmerksamkeit zu gewinnen, um sich ein Bier zu bestellen. »Auch über die Frauen?«
    »Jetzt werden Sie bloß nicht komisch«, sagte John mit drohendem Unterton.
    »Schon gut, Kumpel. Ich geb Ihnen einen aus.«
    »Behalten Sie Ihr Scheißgeld«, sagte John. »Behalten Sie Ihre verdammte Frau, Ihren verdammten Sohn und Ihren verdammten Leuchtturm.«
    Ed stellte Joe ein Bier hin. »Es reicht jetzt, John«, sagte er zu Miller. »Vielleicht solltest du mal an die frische Luft.«
    John zögerte, stand aber auf und ging mit wankenden Schritten hinaus.
    »Nimm es ihm nicht krumm«, sagte Ed. »Seine Frau hat ihn verlassen, und er darf die Kinder nicht sehen. Sie leben auf der anderen Seite der Erdkugel, und das macht ihm schwer zu schaffen.«
    »Den Eindruck habe ich auch«, murmelte Joe.

6. STINGER’S CREEK
     
    North Central Texas, 1980
    Mrs Genzel ließ den Blick über

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