Schattenwandler 04. Damien
den kleinen Weiler besucht. In den zehn Jahren als Windsongs Lehrling hatten sie lediglich zwei wiederkehrende Besucher aus der Mitte der fünfzehn anderen Bewohner gehabt, die am Ende der langen Gasse lebten, die Windsongs Hütte von den anderen trennte. Der eine war Thrush, Lyrics Freund aus der Kindheit. Der andere war Harrier, ein hübscher, netter Barde, der für die ältere Sirene das war, was Thrush für Lyric war.
Thrush lag allerdings mit einer schweren Grippe im Bett, und Harrier war auf Reisen. Also würde keiner von beiden so bald zu Besuch kommen.
„Wer kommt denn?“, fragte sie ihre Mentorin und versuchte das Zittern ihrer Hände zu unterdrücken, indem sie sie unter den Tisch schob und zwischen die Beine klemmte.
Sie war lange genug da, um zu wissen, dass es Zeitverschwendung war, sich zu fragen, woher Windsong ihr Wissen hatte.
„Stell keine Fragen, Lyric! Bring mir einfach den Korb!“
Damien landete hart und nicht gerade elegant.
Er schlug auf den Knien auf und legte Syreena auf den feuchten Grund. Sie wurde zu schnell kalt, und ihr Atem setzte aus. Er konnte nicht länger weiterreisen mit ihr, sonst würde er sie womöglich töten, und er war sich der Tatsache voll bewusst, dass ihre Feinde sich neu formiert hatten und ihnen dicht auf den Fersen waren.
Viele Feinde.
„Syreena?“
Er berührte ihr Gesicht, das kälter war als seine vom Wind kalten Hände. Er brauchte ihren Puls nicht zu fühlen, um zu wissen, wie er schlug; er konnte das allein mit seinen ätherischen Sinnen. Sie lag im Sterben.
Er berührte ihren Kopf am Haaransatz, dort, wo am meisten Blut austrat. Ihr Haar war dort systematisch ausgerissen worden. Zweifellos ein Teil von Ruths perfider Folter. Die frühere Kriegerin kannte die Schwachstellen ihres Opfers genau und hatte sie ausgenutzt. Es war klar, dass Ruth die Prinzessin hatte töten wollen; sie hatte es nur langsam tun wollen und so grausam wie möglich. So verschaffte sie sich zweifellos eine perverse Befriedigung, würde den Leichnam dann auf das russische Territorium zurückschaffen, so verstümmelt wie möglich, und hätte damit ihrer Rache zum Ausdruck verholfen, sobald der Leichnam entdeckt wurde.
Glücklicherweise hatte Ruth nicht mit jemandem gerechnet, der so stark war wie er und der so schnell ihre Spur aufgenommen hatte. Was nicht bedeutete, dass ihr Plan nicht doch noch aufging, dachte er besorgt, als er sich weiter um die Prinzessin kümmerte. Damien schaute nach allen Seiten, fast so, als suchte er Hilfe bei den stillen Wäldern um ihn herum.
Und er fühlte sich tatsächlich hilflos. Das Protokoll musste beachtet werden, abergläubische Vorstellungen zwischen Kulturen, die nur schwer zu überwinden waren. Wenn er das tat, wonach sein Instinkt schri e …
Wäre sie ein Vampir, gäbe es kein Zögern. Doch sie war eine fremde Schattenwandlerin. Eine Lykanthropin. Und das machte einen riesigen Unterschied.
Von allen Schattenwandlern waren sich Vampire und Lykanthropen wohl am ähnlichsten, was ihre Fähigkeiten, ihre Art zu denken, ihre Kultur und ihren Instinkt betraf.
Es stand genau geschrieben in ihren Geschichten, was für einen Vampirgaumen annehmbar war und was nicht. Das Blut eines Wesens zum Beispiel, das sich mit schwarzer Magie abgab, war reines Gift. Es war so stark, dass es einen Vampir innerhalb von wenigen Stunden tötete. Innerhalb von Minuten, wenn der Vampir jung oder schwach war.
Menschenblut stellte bei der Ernährung den Hauptanteil dar.
Entgegen dem verbreiteten Mythos tötete ein Vampir mit seinem Biss nicht. Es war physisch nicht möglich, mehr als die Hälfte der Blutmenge eines Menschen aufzunehmen, und schon diese Menge wurde als Völlerei angesehen, solange der Vampir nicht verletzt war oder einen Blutverlust ausgleichen musste. Ein Mensch konnte sich also schnell wieder erholen, nachdem er Beute gewesen war. Er würde höchstens unter einer leichten bis mittelschweren Anämie leiden.
Vampire waren nicht dumm. Warum sollten sie ihre eigene Nahrungsquelle schädigen, wenn sie mehr als einmal etwas davon haben konnten und die Menschen kaum etwas davon merkten? So konnte ihre Beute am Leben bleiben und ein andermal wieder als Nahrungsquelle dienen.
Wie überall in der Natur sorgten auch die Vampire instinktiv vor und versuchten, das Gleichgewicht zu erhalten. Damien war immer überzeugt gewesen, dass sie genau aus diesem Grund mit einem Blutgerinnungssystem ausgestattet waren, damit die Beute nicht verblutete, ganz zu
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