Schattenwandler: Adam (German Edition)
unterschieden, herrschte zwischen ihnen vollkommene Übereinstimmung, wenn es um Fragen der Moral ging. Beide waren besessen von Recht und Gesetz und der angemessenen Bestrafung von Verstößen. Beide hatten einen Sinn für richtig und falsch, der unerbittlich und unerschütterlich war. Sie hatten sehr hohe moralische Maßstäbe, etwas, das sie deren Erbgut zuschrieb. Unglücklicherweise führte das bei Jacob dazu, dass er sehr hart mit sich ins Gericht ging, wenn er einen Fehler machte; und Adam …
Adam wollte stets um jeden Preis die Welt retten. Oder zumindest den Teil, in dem die Dämonen lebten. Er war ein Beschützer gegenüber den Menschen und respektvoll gegenüber den Schattenwandlern, die es verdienten. Doch er wusste nicht, wo seine Grenzen waren. Eleanor machte sich Sorgen deswegen. Sie fürchtete den Tag, an dem er feststellen musste, dass er nicht jeden retten und gleichzeitig alles richtig machen konnte.
Als Mutter war es Eleanors Aufgabe, auf die Sensibilität und auf die Verwundbarkeit ihrer Söhne zu achten. Doch es war auch ihre Aufgabe, deren Ego nicht zu kränken, indem sie zeigte, wie sehr sie noch immer um sie besorgt war. Asher warnte sie stets, dass ihre Söhne viel mehr ahnten, als sie es ihnen zutraute, und wenn sie ihr auch diese mütterliche Überspanntheit zugestanden, sollte sie es lieber nicht damit übertreiben.
Doch Eleanor wusste das. Ihre Kinder sollten niemals bedauern, wie sie sich ihnen gegenüber verhalten hatte. Sie hatten zu hart daran gearbeitet, zu Männern zu werden, um von ihr geschwächt zu werden.
Was allerdings nicht hieß, dass sie sich gar nicht mehr einmischen würde. Sie freute sich schon auf Enkelkinder, und so wie sie die Männer ihres Volkes kannte, waren sie nicht gerade erpicht darauf, eine Gemahlin zu finden.
Doch konnten Dämoninnen genauso gerissen sein wie ihr Gegenpart, und sie nahmen es an Hartnäckigkeit mit den Männern auf. Sie vertraute darauf, dass ihre Söhne eines Tages ihren Gegenpart finden würden, und sie machte keinen Hehl daraus.
»Mutter«, begrüßte Jacob sie, umfasste ihre ausgestreckten Hände und zog sie an sich, um sie auf die pfirsichglatte Wange zu küssen. Weil sie irgendwann Mitte zwanzig aufgehört hatten zu altern, hätte man Eleanor und Jacob für Geschwister halten können, doch man musste nur die tiefen Blicke sehen, um die elterliche Bindung zu erkennen.
»Madam«, grüßte Adam etwas schroffer, als wäre er zu alt und zu bedeutsam, um sie noch immer »Mutter« zu nennen. Trotzdem zog er sie hoch und schloss sie in eine tapsige Umarmung, die seine tiefe Zuneigung zum Ausdruck brachte.
»Dann erzähl mal«, fuhr er fort, nachdem er sie vorsichtig wieder abgesetzt hatte, »warum du es für nötig hältst, uns mitten in der Nacht von unserem Training abzuhalten.«
»Ich möchte gern das Fest besprechen.«
Ihre Söhne tauschten einen gequälten, jedoch geduldigen Blick.
»Mutter, die Vorbereitungen sind seit Monaten abgeschlossen. Beltane ist morgen, und das Fest wird genauso ablaufen wie immer. Warum machst du dir Sorgen?«
»Weil ich dieses Jahr Gastgeberin der alljährlichen königlichen Veranstaltung eures Cousins bin und ich möchte, dass alles perfekt läuft. Habt ihr denn die Zigeuner eingeladen?«
»Natürlich, Mutter«, seufzte Adam, »das ist schließlich so Tradition. Und wir wissen, dass du es für ein gutes Omen hältst.«
»Nun gut«, lenkte Eleanor ein. »Habt ihr schon eure Begleiterinnen ausgewählt?«
Das löste die erwarteten Protestrufe aus.
»Jungs«, sagte sie bestimmt, »ihr seid meine Söhne, und deshalb wird erwartet, dass ihr eine angemessene Begleitung zu Tisch führt und euch nicht einfach davonmacht und irgendein Mädchen hinter den Busch zerrt und auch noch behauptet, ihr wärt gesellig gewesen.« Sie überging ihr Kichern und die belustigten Blicke, die sie einander zuwarfen. »Anderen Familien ist Etikette nicht so wichtig, aber mir schon. Sucht euch also bitte anständige Dämonenmädchen.«
»Kein anständiges Dämonenmädchen will uns haben«, scherzte Jacob und zog sie schelmisch am Zopf. »Ich habe gehört, ich sei viel zu grüblerisch.«
»Und ich bin Vollstrecker«, sagte Adam, was an und für sich schon Erklärung genug war. »Ich denke, ich kann meine Zeit besser nutzen, indem ich den Unzüchtigen auf die Finger klopfe, statt mir irgendein junges Ding zu suchen, das seine Angst vor dem Vollstrecker überwindet, damit es meine Tischdame wird.«
»Ich schwöre euch, ihr
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