Schatz, schmeckts dir nicht
auf. Von Janina und Peer war sie gewohnt, Negativkritik zu erfahren, Anerkennung gab es höchstens bei den süßen Speisen. Jan lobte zwar die äußerst gelungene Kombination aus weißer Lasagne mit grünem Spargel, doch es klang in ihren Ohren wie ein Pflichtkommentar und nicht wie die Begeisterung eines beeindruckten Essers. Diane aß mit gesundem Appetit und enthielt sich jeder Anmerkung zur Qualität der aufgetischten Speisen. Ihre Meinung war Helene auch herzlich wurscht. Sie musste jetzt an ihre Zukunft denken. Nur noch sieben Wochen bis Pfingsten, und sie war entschlossen, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um ihre Beziehung zu verteidigen.
»Was gibt’s zum Nachtisch?« Peer riss sie mit seiner Frage aus den finsteren Gedanken, die sich drohend wie Gewitterwolken vor ihr auftürmten. Helene liebte es gar nicht, bevor die Gäste gekostet hatten, die von ihr bereiteten Gerichte zu beschreiben. Auch wenn ihr jetzt nichts gleichgültiger war als der weitere Verlauf dieses Ostermenüs, antwortete sie in alter Gewohnheit.
»Das wird nicht verraten. Wenn du mir hilfst, kommst du schneller zu deinem Dessert.«
»Okay.«
Peer sammelte Teller und Besteck ein, Janina rührte keinen Finger. Sie würde nach dieser himmelschreienden Ungerechtigkeit, die ihr durch ihre Mutter widerfahren war, nie wieder einen Bissen anrühren. Oder nur einen ganz kleinen. Obwohl sie für ihr Leben gerne die süßen Kreationen ihrer Mutter verspachtelte. Mit dieser Verweigerung konnte sie Helene am besten treffen, das wusste sie genau.
Ein Traum in Weiß und Rot, so thronte das Dessert mit frischen, prall glänzenden Erdbeeren gekrönt, auf der Tafel. Unter der sahnigen Mascarponehaube barg es im Inneren zwei helle, lockere Biskuitböden, die mit Orangenlikör getränkt waren und zwischen denen eine Schicht herbe, dunkle Creme aus Bitterschokolade ruhte.
Peer hielt sogleich seinen Teller bereit, um bedient zu werden.
»Darf ich erst unserem Gast servieren, ja?«
»Na klar!« Peer fasste sich in Geduld und ließ Diane den Vortritt.
»Oh Gott, Helene, ich kann nicht mehr! Ich habe mich schon so ausgiebig an deinem Nudelgericht gütlich getan. Bitte nur einen kleinen Löffel zum Kosten! Man kann einen Menschen auch mit Messer und Gabel umbringen.« Dianes Tadel sollte wohl ein Witz sein.
»Ich würde das Sushimesser vorziehen«, entgegnete Helene trocken. Sie wusste, wovon sie sprach, und sah Diane offen ins Gesicht.
»Das ist eine sehr gute Antwort!« Diane lachte ihr kräftiges Lachen. Sie schüttelte sich vor Vergnügen und steckte alle anderen damit an. Auch Helene mühte sich nach Kräften um ein fröhliches Gesicht, während sie die Torte verteilte, und wünschte sich nichts weiter, als dieses Lachen bald nicht mehr hören zu müssen. Nie mehr hören zu müssen.
Zumindest Jan und den Kindern mundete das Dessert offensichtlich, denn alle verlangten eine zweite Portion. Auch Janina musste ihren Schwur brechen, hatte aber ohnehin den Eindruck, dass Helene ihren Boykott überhaupt nicht zur Kenntnis genommen hatte.
Der Abend zog sich für Helene unendlich lange hin, und sie beschäftigte sich so viel wie möglich mit dem Abräumen der Tafel und dem Aufräumen der Küche, die ja ohnehin zum Essplatz offen war. So entging ihr auch nicht, wie Diane mit ihren Erzählungen wieder einmal großenteils die Unterhaltung bestritt und Jan, Peer und Janina fasziniert lauschten.
Nun gut, diesmal hatte es nicht geklappt. Jetzt musste ein neues Treffen arrangiert werden. Helene fühlte sich gleich besser. Plänemachen war das beste Mittel, erlittene Niederlagen zu korrigieren. Sie arrangierte ihren Lieblingscognac, die Schwenker und eine Schale mit etwas Gebäck auf einem Tablett, und kehrte an den Tisch zurück.
»Was haltet ihr von einem Picknick im Grünen am ersten Mai? So wie früher, im Tiergarten, mit dem ganzen Büro und Kind und Kegel!«
Jan, der immer daran interessiert war, ein gutes Betriebsklima zu pflegen, war sofort begeistert und auch Diane lobte diese ›sehr schöne Idee‹, wenn sie sich auch angesichts der herrschenden unwirtlichen Wetterlage ein Treffen im Freien nicht so recht vorstellen konnte.
»Wenn wir alle uns das ganz stark wünschen, muss es doch ein schöner Tag werden, Diane!« Helene wusste inzwischen recht gut mit Dianes Sprache umzugehen.
»Da hast du recht! Mit unseren positiven Energien werden wir die Schlechtwettergebiete einfach wegmeditieren!«
»Na bitte. Dann nehme ich gerne die praktische
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