Schatz, schmeckts dir nicht
mit frischen Kräutern erst den letzten Schliff gab. Sie rührte um und fächelte sich dann den ausströmenden Geruch unter die Nase: Säuerlich der Essig, ein Hauch von Knoblauch und ganz fein legte sich der Duft des Weißweines darüber, beherrscht wurde das ganze aber weiterhin von der kräftigen Kräutermischung. Sehr appetitanregend! Hatte sie bisher Diane nicht mit ihrer Kochkunst beeindrucken können, hiermit würde sie todsicher Erfolg haben.
Leider musste Helene es sich versagen, ihre Komposition zu probieren, doch so viel Selbstvertrauen besaß sie als erfahrene Köchin, auch ohne Kostprobe das Gelingen einer Speise beurteilen zu können. Sie verwahrte den Rest ihrer Schätze aus der heimischen Flora wieder im Tiefkühler – man konnte nie wissen, wozu er noch brauchbar war – und wusch das Löffelchen, das sie zum Umrühren verwendet hatte, sorgfältig mit heißem Wasser und Spülmittel ab. Dann stellte sie Vinaigrettebehälter und Parmesanstreifen in den Kühlschrank. Erst kurz vor dem Servieren würde sie beides auf die Salatteller geben, damit alles schön knackig und frisch blieb.
Eilig lief sie ins Schlafzimmer und schlüpfte in die bereitgelegten Kleidungsstücke: Schlichte schwarze Hose, matt türkisfarbene Seidenbluse und dazu silberner Armreif und Kette. Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land? Noch erhielt sie nicht die Antwort, die sie so gern gehört hätte …
Was Helene sich schon gedacht hatte, traf auch ein: Jan tauchte erst am Abend wieder auf und brachte Diane gleich mit. Eine halbe Stunde vor der vereinbarten Zeit betraten sie, in ein intensives Gespräch vertieft, die Wohnung. Ihre Worte waren zu leise, als dass Helene etwas vom Inhalt des Gesprächs hätte verstehen können. Deutlich hörte sie nur Dianes bekanntes Lachen. Es gab ihr einen Stich ins Herz. Die Vertrautheit der beiden konnte sie kaum noch ertragen. Gleichzeitig fühlte sie die Richtigkeit ihres Vorhabens bestätigt.
Die Begrüßung war wie immer ausgesprochen herzlich. Einen Aperitif lehnte Diane ab und bat stattdessen schlicht um Wasser, ihr Lieblingsgetränk. Da es noch so früh war und man mit dem Essensbeginn auf die Kinder warten wollte, setzte man sich auf die Couch vor dem großen Panoramafenster zur Terrasse.
»Eure Terrasse sieht ja schon so richtig frühlingshaft blühend aus, selbst bei diesem tristen Wetter! Ich nehme an, dein Werk, Helene!«
»Ja, Pflanzen sind fast so eine Art Hobby von mir. Es macht auch viel Spaß, sie zu hegen und zu pflegen, Ableger von seltenen Gewächsen zu ziehen und bei schönem Wetter ist die Arbeit in meinem Dachgärtlein ein echter Genuss. Der Blick über die Stadt, ein leichter Wind – wunderbar entspannend!«
»Letzte Woche erst war Helene wieder im Botanischen Garten, um sich weiterzubilden!« Jan sagte das richtig stolz.
»Als die Kinder noch klein waren, bin ich oft mit ihnen im Botanischen Garten gewesen. Heute komme ich nur noch selten einmal dorthin. Aber immer wieder entdecke ich da noch viel Neues.«
»Wirklich schön, wenn man so eine Neigung pflegt. Ich bin schon stolz darauf, eure mir anvertrauten Küchenkräuter bisher einigermaßen gut versorgt zu haben.« Diane lachte ihr unvermeidliches Lachen. Sie war überhaupt wieder sehr gut aufgelegt und gab sich ausgesprochen interessiert an ihrer Gastgeberin. Helene hatte das Gefühl, Objekt einer Therapie zu sein, so verständnisvoll und einfühlsam, und vor allem so geschickt, stellte Diane diesmal sie in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Sie vermied jegliches Abgleiten in Themen, die dann zu einem Zwiegespräch zwischen ihr und Jan geführt hätten, fast als ob sie den Eindruck zu großer Vertrautheit vermeiden wollte. Was für eine Schlange!
Helene beantwortete bereitwillig alle Fragen und gab auch Auskunft zu ihrem aktuellen Theaterprojekt – ein Werk einer Zeitgenossin, Name und Titel waren ihr bis dahin gänzlich unbekannt gewesen. Der Inhalt war eine bitterböse Satire auf die Kunstszene und die Kulturschickeria, im Grunde ein direkter Angriff auf das zu erwartende Premierenpublikum. Zum Finale warfen sich die Akteure auf der Bühne gefüllte Champagnergläser an die Köpfe, schmissen mit Lachshäppchen und wälzten sich in Hummermayonnaise, alles endete in einer Orgie, sprich einer Riesensauerei. Dazu ein passendes Büffet zu schaffen, würde eine gründliche Überlegung erfordern, aber sie war optimistisch, dass ihr noch eine diesbezügliche Erleuchtung käme.
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