Schatz, schmeckts dir nicht
Jahr.
Peer würde im Juni sein Abitur machen, wahrscheinlich keine Glanzleistung bringen, da seine Freundin und der Sport ihn zu sehr am Lernen hinderten, aber durchkommen würde er auf jeden Fall. Klar war für ihn, dass er danach für längere Zeit im Ausland leben wollte. In welchem Rahmen, darüber gingen die Meinungen zwischen ihm und seinen Eltern auseinander. Er wollte sich am liebsten mit Jobs über Wasser halten, während Jan und Helene ihm zuredeten, erst seinen Zivildienst abzuleisten, um danach frei für alles andere zu sein. Es brauchte wohl noch einige Zeit, bis sie sich in dieser Frage einigen würden.
Für Janina stand fest, dass sie mit Beginn der Sommerferien in die USA gehen würde, natürlich mit ihrer Herzensfreundin Elisa und zwar für ein ganzes Jahr. Auch ihr Bruder hatte solch einen Auslandsaufenthalt absolviert und er hatte davon in vielerlei Hinsicht profitiert. Dagegen hatten die Eltern also nichts einzuwenden. Es blieb höchstens noch zu klären, ob man dieses Unternehmen privat oder über eine Organisation bewerkstelligen sollte und wie es möglich wäre, dass die beiden Mädels an einen Ort kommen würden. Janina drängelte, dass viele aus ihrer Klasse schon einen Platz hätten und Panik verbreiteten, dass es langsam schon zu spät dafür wäre. Doch Helene konnte ihre Tochter mit dem Versprechen beruhigen, sich spätestens in den Weihnachtsferien gemeinsam dieses Problems anzunehmen.
Als Janina sich zum Telefonieren verabschiedet und Peer sich in sein Zimmer an den Computer zurückgezogen hatte, begann Helene mit einer Beschäftigung, die sie sehr entspannend fand: Urlaubspläne schmieden. Bis vor einem Jahr war das ziemlich einfach gewesen, zumindest was Zeitpunkt und Häufigkeit der Ferien anbetraf: Osterferien – Skifahren in Südtirol, Sommerferien – Landhaus in der Provence, Herbstferien – noch einmal Sonne tanken auf Kreta oder den Kanaren. Ihre Schwester, die sich diesen Luxus nicht leisten konnte, hatte schon bissig darauf hingewiesen, dass Helene ganz vergessen hätte, auch in den Weihnachtsferien eine Reise zu planen.
Seit einem Jahr nun hatte keines der beiden Kinder noch Lust, gemeinsame Ferien mit den Eltern zu verbringen, und es erwuchsen Helene ungeahnte Schwierigkeiten, Jan aus seinem Büro loszueisen. Denn natürlich wollte sie endlich das Privileg nutzen, auch außerhalb der Ferien zu verreisen, wollte ohne auf jugendliche Bedürfnisse Rücksicht nehmen zu müssen, endlich durch Kulturdenkmäler streifen, in edlen Hotels absteigen und schlicht einmal für längere Zeit auf Reisen sein, dort verweilen, wo es ihr gefiel und das Gefühl haben, zur globetrottenden Society zu gehören. Nicht zu vergessen, die kulinarischen Schätze, die es noch zu erforschen galt.
Hatte Jan die früheren Familienferien für seine verdammte Vaterpflicht gehalten, so wollte er jetzt, wenn überhaupt, nur noch in eine einsame Gegend und seine Ruhe haben. Am liebsten mit Rucksack und Zelt – der frühere Naturbursche schien wieder durchzubrechen. So musste sich Helene einiges einfallen lassen, um ihn mit attraktiven Vorschlägen zu gemeinsamen Unternehmungen zu locken. Getrennt verreisen – nein, sie wollte ihren unglücklich verheirateten oder getrennten Freundinnen keinen Anlass zu hämischen Spekulationen geben. Und außerdem wollte sie auch gerne mit Jan zusammen sein, wo ihn seine Arbeit schon so in Anspruch nahm!
In diesem Jahr hatten sie es gerade geschafft, im Mai eine Tour an die Côte d’Azur zu machen, die leider nicht das erhoffte, unvergessliche Erlebnis wurde: Die als Geheimtipps gehandelten Hotels waren von Busgesellschaften bevölkert und für das, was sie boten, viel zu teuer. Die exzellente Küche konnten sie nur manchmal erahnen und es goss die meiste Zeit in Strömen. Als ihnen nach einer guten Woche in Saint Raphaël ein deutscher Tourist noch eine dicke Beule in den Wagen fuhr, brachen sie die Reise vorzeitig ab und fuhren frustriert gen Heimat. Sie übernachteten noch einmal in einem ganz einfachen Dorfgasthof im Fränkischen, wo in der Gaststube die Fliegenfänger von der Decke hingen und die heimischen Kartenspieler hockten, das Essen deftig, aber unvergleichlich schmackhaft war, die Zimmer nicht luxuriös, aber gemütlich und Jan ins Schwärmen kam: Im nächsten Urlaub würde er mit dem Drahtesel durch deutsche Lande fahren, mit Rucksack, so richtig urig! Helene ließ ihn weiterträumen und dachte nur, kommt Zeit kommt Rat, das macht er sowieso
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