Schatz, schmeckts dir nicht
Konditionen stattfand. Als Arrangeurin eines glanzvollen Abends würde sie sich der Neuen in ihrer beeindruckendsten Rolle präsentieren können. Danach würde sie auch zu urteilen wissen, ob ab jetzt verstärkte Wachsamkeit erforderlich war.
Von solcherlei Überlegungen beflügelt, ging Helene das Herrichten der Tafel mit Leichtigkeit von der Hand, und bald stand sie, die Arme in die Hüften gestemmt, zufrieden vor ihrem Werk. Es sah schon jetzt ziemlich beeindruckend aus. Wie erst am morgigen Abend, wenn die Kerzen entzündet waren und der Duft der Speisen die Luft schwängern würde! Ihre Gäste würden hoffentlich erwartungsgemäß überwältigt sein. Inzwischen war es früher Abend geworden und Helene machte sich an die Vorarbeiten für den Rotkohl, der die Rehkeule begleiten sollte. Genau wie beim Sauerkohl verfuhr sie nach der Devise: Von dem sie ganz besonders schwärmt, wenn er wieder aufgewärmt – erst dann hatte auch der Rotkohl den zugleich kräftig-säuerlichen und doch lieblichen Geschmack.
Duft- und Dunstwolken angebratenen Specks erfüllten die Küche und hüllten Helene ein, trotz geöffneter Terrassentür und der unangenehm lärmenden Abzugshaube über dem Herd, sodass sie erst einmal erschrocken zusammenzuckte, als sich plötzlich zwei kalte Arme von hinten um sie legten, und Jan ihr einen Kuss auf die Wange drückte. »Na, große Meisterin, alles im Griff für den morgigen Abend?«
»Es läuft besser als beim Start in Cape Canaveral, Schatz! Du schon hier? Das find ich ja schön.«
»Unser großes Projekt ist so gut wie abgeschlossen. Die Feier morgen kommt auch insofern genau richtig. Und da dachte ich, ich komme heute früher und frage dich, ob ich dir was helfen kann für morgen. Schließlich sind es ja meine Kollegen.« Jan kannte natürlich die Antwort seiner Frau längst und konnte deshalb auch dieses großzügige Angebot unterbreiten.
»Du weißt doch, eine gute Köchin braucht die Einsamkeit, um ihre Kreativität zu entfalten. Und es gibt zu viele Küchengeheimnisse zu hüten! Trotzdem danke für dein großherziges Angebot, geliebter Scheinheiliger! Aber klar ist, dass du morgen für Musik und Getränke zuständig bist!«
»Eye, eye Mylady! Da sind wir doch ein eingespieltes Team! Dann sollten wir vielleicht heute schon ein Fläschchen von dem Roten testen, ob wir den unseren Gästen überhaupt zumuten können.«
»Gute Idee! Ich hab Maultaschen vorbereitet. Die Kinder wollten heute auch ausnahmsweise gleichzeitig zum Essen am heimischen Herd erscheinen. Dann haben wir ganz unerwartet mal wieder die ganze Runde zusammen. Schön!«
Während Jan sich schon ans Dekantieren des Rotweines machte, und sich dann der Auswahl der Tafelmusik für das Festessen widmete, stellte Helene ihren Rotkohl fertig. Zu dem ausgelassenen Speck gab sie kleine Apfelstückchen, ein wenig fein gehackte Zwiebel und reichlich zerstoßene Nelken, fügte noch etwas Schmalz hinzu, als sie sah, dass der Speck noch nicht genug Fett abgesondert hatte, und gab dann das in feine Streifen geschnittene Kraut in den Topf. Es zischte und dampfte und duftete köstlich! Kurz andünsten, umrühren und dann ein Schuss Weinessig hinein, etwas Apfelsaft und Rotwein, und damit es schön mild wurde, noch ein paar Löffelchen braunen Zuckers. Jetzt brauchte der Rotkohl nur noch leise vor sich hin zu köcheln und war für den nächsten Abend bereit.
Janina und Peer kamen ausgehungert nach Hause und stürzten sich begeistert auf die in Butter und Zwiebeln geschmälzten Maultaschen mit Ei. Dazu gab es noch einen einfachen grünen Salat. Lange schon wartete Helene auf den Zeitpunkt, da ihre Kinder kulinarisch endlich reifen würden. Bisher leider vergeblich. Als ob sie damit eine Art passiven Widerstand gegen die Kochleidenschaft ihrer Mutter leisten wollten, blieben sie bei ihrem kindlich schlichten, eingleisigen Geschmack und ihrer Wasderbauernichtkenntfrissternicht-Mentalität. Experimentierfreudig wurden sie höchstens, wenn es um Süßspeisen ging. Ansonsten bevorzugten sie Nudeln, Pizza und Hamburger oder aber lobten die gutbürgerlichen Speisen ihrer Oma – Matschgemüse, Braten in Mehltunke und die unvermeidlichen Salzkartoffeln. Hoffnungslos!
Nach dem Essen – zum Nachtisch hatte Helene noch einen Rest Milchreis vom Vortag, ein Highlight in der Speisekarte ihrer Kinder, aufgepeppt und mit Dunstkirschen und Vanillesahne serviert – widmete man sich den Zukunftsplänen des Nachwuchses für das nächste
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