Schatz, schmeckts dir nicht
und außerdem war sie schon in Gedanken beim nächsten Gang. Als die Teller alle geleert waren, erhob sie sich, Hilfe für die Servierarbeit dankend, aber bestimmt ablehnend, und trug das benutzte Geschirr in die Küche. Nebenbei lauschte sie angetan den Gesprächen ihrer Gäste, die sich bereits jetzt gegenseitig gestanden, wie gerne sie immer wieder an Helenes Tafel sitzen würden.
In die vorgewärmten Suppentassen füllte sie die Lauchrahmsuppe, dekorierte mit Möhrenstreifchen und frischem Lauch, und bugsierte sie auf einem Tablett zum Tisch. Bobby durfte verteilen und Helene holte noch die beeindruckende, riesige Terrine dazu, in die sie den Rest der Suppe gegeben hatte.
»Mmh! Wie das duftet! Helene, du bist eine Zauberin mit dem Kochlöffel!« Das Gesicht gerötet und feinste Schweißtröpfchen am Haaransatz, war Ulli schon wieder in jenem entrückten Zustand, den Essen bei ihr grundsätzlich hervorrief. Auf ihre Lobeshymnen brauchte man sich nicht allzu viel einzubilden. Als Helene Nachschlag anbot, war Ulli dabei und auch Diane ließ sich die Tasse ein zweites Mal füllen.
»Es schmeckt wunderbar! Eine warme Suppe tut um diese Jahreszeit wirklich gut.«
Zwar fand Helene, dass ihr raffiniertes Süppchen mit einer warmen Suppe bei der Heilsarmee nicht vergleichbar war, doch da sie wusste, ihre Warthensteinsche Rehkeule würde auch dem letzten geschmacksblinden Esser eine Offenbarung sein, regte sie sich nicht über das unpassende Kompliment auf.
Nachdem sie ihr schon fast eine halbe Stunde gegenüber gesessen hatte, war für Ulli klar, dass sie jetzt Diane nach Herkunft, Familienstand, Hobbys und was sonst noch von Interesse war, befragen durfte.
»Und Sie stammen aus Hamburg? Das hört man Ihrer Sprache aber gar nicht an!«
»Ich bin keine gebürtige Hamburgerin. Ich habe dort nur eine Weile gelebt.«
»Ach so. Und Sie sind aus beruflichen Gründen hierher gekommen?«
»Wissen Sie, das war der äußere Anlass. Es gab nach und nach so einige Zeichen, die mir sagten, du musst wieder weiterziehen. Nicht, dass ich mich dort nicht wohlgefühlt hätte. Im Gegenteil.« Diane sagte dies mit ihrer kräftigen, klaren Stimme und ließ dabei den Blick schweifen, sodass andere Gespräche verstummten, und ihr die ganze Tischgesellschaft lauschte. »Aber irgendwie war ich wieder auf der Suche. Ich wusste nur noch nicht wonach. Da erschien mir im Traum ein lieber, alter Freund, der hier ein kleines Häuschen hat, von dem ich seit einer Ewigkeit nichts gehört hatte. Kurz darauf kam von ihm ein Brief, dass er für mehrere Jahre in die Staaten gehen wird und für das Haus einen Hüter sucht. Und schließlich engagierte man mich für diesen baubiologischen Kongress. Dort traf ich Jan. Der hatte gerade angefangen, sich mit Öko City zu beschäftigen. Als sein Anruf kam, um mich um meine Mitarbeit zu fragen, hatten mir die Tarotkarten längst gezeigt, dass mein Weg hierher führen würde. Es gibt eben keine Zufälle.«
Zum Abschluss ihrer Ausführungen lachte Diane ein leises, zufriedenes Lachen und schaute sich erwartungsvoll um.
Ratlos verzog Helene ihr Gesicht zu einem verstehenden Lächeln und registrierte erstaunt, dass scheinbar niemand Anstoß an diesen wolkigen Erklärungen nahm – im Gegenteil, Ulli nickte eifrig und fuhr in ihrer Befragung zur Person fort. »Und Ihre Familie macht so einen Ortswechsel klaglos mit?« Sehr geschickt und unauffällig formuliert! Zur Belohnung bestrich sich Ulli ein weiteres Stück flaumiges Weißbrot dick mit sahniger Butter.
»Oh, ich bin an nichts und niemanden gebunden. Frei wie ein Vogel sozusagen!« Und wieder lachte Diane, diesmal etwas lauter, zum Mitlachen auffordernd. Mein Gott, was für eine Frohnatur! Entschlossen sammelte Helene die Suppentassen ein und bat Bobby unauffällig, ihr zu folgen, damit er ihr bei den Vorbereitungen für den Hauptgang zur Hand gehen würde.
Während im Hintergrund Diane fröhlich dozierte, ihr Nomadentum zu einer Lebensphilosophie erhebend, und die Orte, die sie mit ihrem Dasein bereichert hatte, wie das Angebot aus einem Fernreisekatalog aufzählte, rührte Helene verbissen in der großen Schüssel mit dem Kloßteig, die Bobby mit aller Kraft festhalten musste, damit sie nicht vom Tisch rutschte.
Kanarische Inseln. Nordafrika.
Wunderbar. Der heiße Brei verband sich ohne Klümpchen mit dem Kartoffelmehl und dem Salz-Grieß-Gemisch.
Kalifornien. Nepal.
Das war keineswegs selbstverständlich, sondern abhängig von der
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