Schatz, schmeckts dir nicht
unfriedliche Welt.«
Dagegen war natürlich nichts zu sagen, wenn Helene sich auch dachte, erst mal abwarten, was für eine Art Friedensengel da an ihre Tafel geschwebt war.
»Frieden auf Erden! Draußen legt sich gerade der weiße Schnee auf die Dächer, hier duftet es nach Weihnachtsgebäck – wie bei einer richtigen Weihnachtsfeier, Kinder!« Ulli war entzückt.
»Ich dachte eigentlich, das hier wäre eine richtige Weihnachtsfeier«, bemerkte Helene trocken.
»Du weißt schon, was ich meine. Seht doch nur, wie es schneit!« Ulli trat an die Terrassentür und auch die restliche Runde wollte einen Blick auf das winterliche Stimmungsbild werfen. Frau Holle schüttelte kräftig ihre Betten aus. Im nach draußen fallenden Licht wirbelte es wahre Flockenfontänen vom dunklen Himmel.
»Wir können den Kaffee auch dort einnehmen«, schlug Helene vor und wies auf die Sitzgruppe vor dem großen Panoramafenster.
So machte man es sich auf Sesseln und Sofa bequem, rührte in den niedlichen Mokkatässchen, schwenkte mit Genuss den köstlichen Birnengeist und Bobby entzündete feierlich eine seiner großen Zigarren. Erzählstimmung machte sich breit und Jan, Bobby und Joachim gaben Anekdötchen aus ihrer immerhin schon einige Jahre zählenden Firmengeschichte zum Besten.
Auch wenn sie die meisten dieser Stories schon kannte, hörte Helene gerne wieder zu und auch alle anderen schienen auf ihre Kosten zu kommen. Nicht immer entwickelte sich bei so einem Essen eine Stimmung, die alle Anwesenden mit einbezog. Mancher viel redende Langweiler konnte einen Abend kurzerhand kaputt monologisieren.
Da Diane, die bereits bewiesen hatte, dass sie gern und viel erzählte, erst vor kurzem in das Planungsbüro gekommen war, blieb ihr jetzt vor allem die Zuhörerrolle. Und diese füllte sie mit Hingabe aus. Da sie wohl auf den Sitzgelegenheiten keinen Platz mehr gefunden hatte, saß sie auf dem Teppich neben Jans Sessel, um sich herum malerisch den weiten Rock drapiert, den Kopf in den Nacken gelegt, so dass die locker zusammengesteckte Haarfülle schwer nach unten zog, die Augen aufmerksam geweitet – lauschende Andacht in Person. So eine interessierte neue Mitarbeiterin war wirklich ein echter Gewinn!
Es war schon kurz nach ein Uhr, als Heike und Linus die Hausherrin leise darum baten, sich verabschieden zu dürfen und ihnen ein Taxi zu rufen. Trotz der Diskretion entwickelte sich daraus eine allgemeine Aufbruchsstimmung, aufgrund des genossenen Alkohols und des Winterwetters wurde nach mehr Taxen verlangt, und man schob sich langsam in Richtung Flur. Höfliche Dankesworte, noch einmal Lobeshymnen für die begnadete Köchin und Gastgeberin, Händeschütteln, Küsschen hier, Küsschen da, und ein Teil der Gäste schwebte mit dem Fahrstuhl nach unten. Helene musste noch einmal den kräftiglangen Händedruck aushalten und fühlte ihren unangenehm forschenden Blick, als Diane versprach, dass man sich bald wieder sehen würde. Das würde sich wohl nicht vermeiden lassen. Und für Jan gab es noch ein besonders betontes, ganz persönliches »Bis Montag!« – ja, leider, auch das war unvermeidlich.
Alle Mäntel waren von der Garderobe wieder verschwunden, eine letzte gute Nacht gewünscht, der Fahrstuhl ein zweites Mal gefüllt, Jan schloss mit einem erleichterten Seufzer die Wohnungstür und ließ sich schlapp dagegen fallen.
»Komm, du müder Streiter! Hinaus in die Winternacht!« Damit warf sich Helene schnell eine Strickjacke über, öffnete die Terrassentür und trat begeistert in die jungfräuliche Schneedecke, die sich draußen gebildet hatte. Etwas zögernd folgte ihr Jan und sie versuchte, auch ihn für die kalte, klare Luft und den Schnee zu begeistern. »Einfach toll! Diese Luft, dieser Duft! Ich rieche den Schnee. Ehrlich! Es riecht nach Schnee. Und merkst du, wie ruhig es ist? Und langsamer, alles wird irgendwie langsamer, wenn Schnee fällt.«
»Du hast ja recht, es ist wunderschön«, stimmte Jan ihr geduldig zu, »aber trotzdem lausig kalt!«
»Da muss man sich eben gegenseitig wärmen!« Damit trat Helene hinter ihn, schlang die Arme um seine Schultern und drückte sich ganz nah gegen ihn. Sie war fest entschlossen, sich nicht durch das ärgerliche Thema dieses Abends alles verderben zu lassen.
»Und, schon besser?«
»Viel besser! Übrigens, vielen Dank auch noch!«
»Wofür?«
»Na, für diesen perfekten Abend! Du hattest wirklich wieder alles großartig vorbereitet. Hoffentlich bist du ein bisschen auf
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