Schatz, schmeckts dir nicht
hatten.
Natürlich war Maria Josefa bei aller Dämlichkeit, die Helene ihr zubilligte, ihre Wirkung auf Jan nicht entgangen. Und in immer kürzer werdenden Abständen forderte sie ihn für kleine nachbarliche Gefälligkeiten an, da sie ja leider keinen Mann im Haus hatte – zum Nägel einschlagen, Gardinen aufhängen, tropfende Wasserhähne reparieren oder eine quietschende Tür ölen, deren Geräusch sofort ihre Migräne hervorrief. Und Jan kam bereitwillig allen ihren Wünschen nach.
»Du bist viel zu gutmütig! Du bist doch nicht ihr Haushandwerker – sie nutzt deine Hilfsbereitschaft doch nur aus!« Helene war sauer.
»Aber Helene! Erstens finde ich es selbstverständlich, dass Nachbarn sich gegenseitig helfen …«
»Womit hilft sie denn uns?«
»… und zweitens bedankt sie sich immer sehr nett, finde ich.«
Ja, und wie sie sich bedankte! Ständig brachte sie irgendwelche Mehlspeisen herauf, immer etwas Neues: Palatschinken, Marillenknödel, Strudel in allen Variationen, Nockerln, Buchteln, Schmarren, Dalkerln und Pofesen – Namen und Speisen, von denen sogar Helene zum Teil noch nie gehört hatte. Aber immer schmeckten sie köstlich. Und dabei blieb es nicht. Ihre Einladungen wurden immer häufiger, und ehe sie Jan allein gehen ließ, sprühte sich Helene lieber reichlich Asthmaspray in die Bronchien und warf dem fiesen Kater vernichtende Blicke zu. Der rekelte sich derweil majestätisch auf dem Sofa, riskierte nur hin und wieder ein Auge und gähnte gelangweilt, während Jan eine Lobeshymne nach der anderen auf Maria Josefas Künste in puncto Küche und Gesang abließ.
So ging es jedenfalls auf Dauer nicht. Maria Josefa war untröstlich, dass ihr über alles geliebter Othello der armen Helene so viel Ungemach bereitete, und kam auf die glänzende Idee, ihre Gäste dann eben in deren Wohnung zu bewirten. Das fehlte Helene gerade noch. Wollte sich diese impertinente Person in ihren heiligen vier Wänden einnisten! Und als Helene über ein Wochenende zu ihrer Schwester fahren wollte, bot sie sich doch tatsächlich an, für den armen Strohwitwer zu sorgen. Maria Josefas sonniges Gemüt erhielt den ersten Dämpfer durch einige schaurig anmutende Anrufe.
»Stellt’s Euch vor«, klagte sie Jan und Helene ihr Leid, »da ruft mich nachts immer einer an, der nix sagt und dann hört man ein ganz ein klägliches Miauen. Ich hab solch eine Angst um meinen armen Othello!«
Als sie einem Polizeibeamten ihr Leid schilderte, meinte der herzlose Mensch nur, ob ihr Othello vielleicht eine süße, kleine Katzenfrau kennen gelernt hätte, die mit ihm telefonieren wollte, wie Maria Josefa unter Tränen erzählte. Die anonymen Anrufe hatten dann aufgehört. Doch die Nachbarin konnte ihren Seelenfrieden nicht wieder finden. Eines Morgens stand sie schreckensbleich vor der Tür, am ganzen, imposanten Körper zitternd, und hielt anklagend Helene und Jan ein Katzenfell unter die Nase. Othello war es aber nicht, der ruhte völlig ungerührt auf ihrem anderen Arm und schaute blasiert wie immer.
»Das hing an meiner Wohnungstür. Was will dieser Katzenfeind von mir? Ich halt das bald nimmer aus!«, jammerte sie. »Was gibt es nur für böse Menschen!« Sie hielt es denn doch aus, und als eine Weile nichts passierte, kehrte ihr Optimismus zurück und damit auch die Topfenknödel, Sachertorte, Kipferln, Kolatschen und wie ihre donaumonarchischen Köstlichkeiten alle hießen.
»Damit muss ich wohl vorerst leben«, sagte sich Helene ganz vernünftig. »Abwarten und nachdenken.«
Es sollte der Tag kommen, an dem die Möbelpacker wieder anrückten. Othello war plötzlich spurlos verschwunden und in Maria Josefas Post fand sich eine Katzenpfote, die zwar nicht eindeutig als Othellos identifiziert werden konnte, sein Frauchen aber in Ohnmacht fallen ließ. Vier Wochen später – alle Suche nach dem geliebten Tier war ergebnislos geblieben – war es so weit: Am Ende ihrer Nerven packte Maria Josefa ihre Koffer und verschwand auf Nimmerwiedersehen ins heimatliche Wien. Der Schmerz über den Verlust Othellos war größer als die Abneigung gegen jene Stadt, in der sie von ihrem Mucki geschieden worden war. In ihre Wohnung zog ein junges Lehrerehepaar, die Frau war schwanger. So wurde zwar nach ihrer Niederkunft hin und wieder die Nachtruhe durch Babygeschrei unterbrochen, doch der häusliche Frieden nicht mehr durch eine Mehlspeisenbelagerung gefährdet.
Die Tage bis zum Weihnachtsfest waren gezählt und Helene von früh
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