Schatz, schmeckts dir nicht
schmieren wollen!«
»Das finde ich auch absolut unangenehm.«
»Und wir führen Fleisch nicht nur, weil die Leute danach verlangen, sondern weil zu einem biologisch wirtschaftenden Bauernhof Tiere gehören, deren Fleisch auch vermarktet werden muss. Als wir damit anfingen, gab es schon so manchen Kunden, der erst einmal entsetzt nachfragte, wieso wir jetzt tote Tiere verkaufen. Aber die meisten sind tolerant. Nur einer kam hier mal rein, wollte nur ein Energiebällchen kaufen, sah das Fleisch im Angebot und rastete aus. Er beschimpfte uns wüst, wie wir denn in einem solchen Laden, für ihn wohl so eine Art Tempel, so etwas verkaufen könnten. Für ihn brach eine Welt zusammen. Und als Thomas, der damals gerade an der Kasse war, ihm die Gründe erläutern wollte, schmiss er ihm mit einem letzten Fluch das Energiebällchen an den Kopf und verschwand auf Nimmerwiedersehen. Du siehst, der Job hier ist nicht ungefährlich«, schloss Elfriede mit einem amüsierten Lächeln.
»Eine nette Geschichte! Aber ich wollte ja nun wirklich für die fleischlose Küche einkaufen.«
»Aber gerne! Dann jetzt zum geschäftlichen Teil.«
Als sie ihre Runde durch den Laden beendet hatten, war der Einkaufskorb gut gefüllt mit rotem Reis aus der Camargue, Boulgur und Grünkern, neben roten Linsen und Flageolet-Bohnen. Auch Tofu und Tempeh hatte Elfriede empfohlen, und Helene hatte beim Gemüse zugegriffen und einen dekorativen Hokkaido Kürbis, Pastinaken, Mangold und würzig duftende Petersilie eingepackt. Wie immer beim Einkauf von Lebensmitteln bastelte sie im Geiste bereits an deren Zubereitung, und was sie als lästige Pflichtübung begriffen hatte, begann ihr sogar Spaß zu machen. Elfriedes Laden hatte sich als nette, kleine Fundgrube für Helene entpuppt.
Elfriede war an die Kasse gerufen worden, wo eine ältliche Dame erregt auf Amras einredete und dabei unaufhörlich mit einem Kassenbon wedelte.
»Ich habe gestern für 15.95 nichts gekauft. Da haben Sie sich vertippt, das kann gar nicht sein!«, empörte sie sich.
»Frau Meybeer, guten Tag! Ich höre, es gibt ein Problem mit Ihrem gestrigen Einkauf?« Elfriede mischte sich auf ihre freundliche, aber bestimmte Art in das komplizierte Gespräch ein.
»Ja, hier stehen 15.95 auf dem Bon und ich habe nichts zu diesem Preis gekauft gestern.«
»Liebe Frau Meybeer! Ich habe Ihnen schon des Öfteren gesagt, dass Sie so einen vermeintlichen Irrtum beim Abkassieren nur hier und sofort reklamieren können. Und da Sie ja auch gestern wieder mit Ihrer Frau Mutter hier einkaufen waren, die dann auch mal von Ihnen unbemerkt Artikel in den Korb packt und beim Kassieren gleich in ihre Einkaufstasche steckt – vielleicht eine Flasche vom Crémant, den sie so mag, ist das heute überhaupt nicht mehr nachzuvollziehen.«
»Aber Mutti kauft doch nicht mitten in der Woche eine Flasche Sekt!«
»In diesem Fall muss ich leider hart bleiben. Tut mir leid, wenn ich das so sage, aber Sie müssen auf Ihre Mutter besser aufpassen. Sie wissen ja selbst, dass sie auch immer wieder gerne, ohne zu bezahlen Waren in ihre Einkaufstasche packt, und wir ihr nur mit Rücksicht auf ihr Alter kein Ladenverbot erteilt haben. Bitte prüfen Sie in Zukunft gleich hier im Laden Ihre Abrechnung, um solche für beide Seiten unangenehmen Situationen zu vermeiden.«
Das Gesicht der Frau hatte sich mit einer zarten Röte überzogen, und sichtlich peinlich berührt ob dieses unrühmlichen Verhaltens ihrer trinkfreudigen Mutti, murmelte sie ein paar kaum verständliche Worte, ob des Protestes oder des Einverständnisses war nicht klar, und trat den Rückzug aus dem Laden an, der inzwischen gut mit Kundschaft bevölkert war.
Zwei Kinderwagen mit ihrer wertvollen Fracht schufen im Kassenbereich eine drangvolle Enge, und durch die ständig bimmelnde Ladenglocke aus dem Schlaf gerissen, ließen die beiden Babys alsbald ihre kräftigen Stimmchen ertönen, und die Gefährte begannen heftig zu schaukeln. Allein die jungen Mütter störte das markerschütternde Gebrüll wenig. Sie standen seelenruhig vor dem Kassentresen. In unverkennbar süddeutschem Akzent erläuterten sie ihrer beider Absicht, ihre hoffnungsvollen Sprösslinge, wenn es denn so weit wäre, in einen Waldorfkindergarten zu schicken. Amras, die blonde Mitarbeiterin von Elfriede, hatte endlich alle Einkäufe der einen Mutter eingetippt – sie tat das mit unglaublicher Langsamkeit, und Helene wurde beim Zusehen ganz kribbelig – und wartete nun geduldig,
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