Schatz, schmeckts dir nicht
Helene in den Hintergrund des Ladens. An den Wänden zogen sich die bunt gefüllten Ladenregale entlang und in großen Verkaufskörben wurde auf bestimmte Produkte besonders hingewiesen. Mit Artikeln wie Sauerkrautsaft und Trockenpflaumen versuchte man die Kunden für um diese Jahreszeit aktuelle Fastenkuren zu begeistern.
An der Stirnwand ganz hinten befand sich die kleine Gemüseabteilung, die vor allem die regionalen Produkte des Winters feilbot, wie Möhren, rote Beete, Kohl, Kartoffeln, Petersilienwurzel, Grünkohl, Lauch, Äpfel und Ähnliches. Auf dem Tisch neben der Waage standen Tontöpfe mit frischer Petersilie, und in Körben daneben fand sich eine Auswahl von Nüssen.
Erstaunt registrierte Helene die riesige Auswahl an deutschen und internationalen Weinen in dem kleinen Laden, ja sogar Champagner und Obstbrände wurden angeboten. Daneben gab es natürlich Säfte über Säfte und verschiedene Sorten Mineralwasser. Die Tür sprang auf, die Ladenglocke bimmelte außer Rand und Band.
»Uff! Nimmst du mir das schnell mal ab, Micha! Ich muss mir einen Parkplatz suchen, bin sofort wieder da.« Elfriede reichte ihrem wenig gesprächigen Mitarbeiter eine Kiste über den Tresen und war sogleich wieder verschwunden.
Als sie zurückkam, stand Helene gerade sinnend vor Tofu und Sprossen am Kühlregal.
»Hallo! Das ist ja schön, dass du es mal geschafft hast, hier vorbeizukommen, Helene! Wie geht’s dir?«
»Hallo Elfriede! Geht mir ganz gut so. Ich habe nur im Moment eine Menge um die Ohren. Ich arrangiere jetzt Premierenbüffets für das Schlosstheater.« Helene erzählte begeistert von ihrem neuen Job.
»Das glaube ich wohl, dass du genau die Richtige für diese Aufgabe bist! Hast du ein bisschen Zeit? Ja? Gut, dann lass uns doch einen Kaffee trinken und ein bisschen klönen. Und wie geht’s dem Rest der Familie?«
Über eine Treppe stiegen sie auf eine nachträglich eingezogene, hölzerne Zwischenetage, die ein winziges Büro mit beängstigend niedriger Decke beherbergte. Und während Elfriede die Espressomaschine in Gang setzte und auf dem bis an seine Belastungsgrenze beladenen Schreibtisch einige Stapel zur Seite schob, um Platz für ihre beiden Tassen zu schaffen, erzählte Helene von den Kindern.
»Peer zerreißt sich zwischen Freundin, Basketball und Vorbereitung aufs Abitur, und Janina ist im Geiste schon halb in den Staaten. Mit Beginn der Sommerferien geht sie nämlich für ein Jahr nach drüben, weiß aber noch nicht in welchen Staat. Sie spricht von nichts anderem mehr. Unsere Kinder sind mittlerweile ganz schön selbständig, da musste ich mich auch erst einmal dran gewöhnen. Aber das hat natürlich auch viele angenehme Seiten.«
Das Telefon läutete und Elfriede setzte der Stimme am anderen Ende mit Engelsgeduld auseinander, dass es normal sein konnte, dass ein Müsli zu leben anfing, wenn es mehrere Monate in seiner Tüte im Küchenschrank gestanden hatte.
»Die Lebensmittel, die Sie bei uns kaufen, sind naturbelassen und deshalb besonders wertvoll. Da sie aber unbehandelt sind, sind sie auch nur begrenzt haltbar, und wenn Sie eine Tüte Müsli monatelang offen im Schrank stehen lassen, wird sie langsam schlecht, und damit ziehen Sie Motten auf Hunderte von Metern Entfernung an. Wenn Sie so wollen, ein untrüglicher Beweis für die Naturbelassenheit unserer Waren.« Dieses humorvoll vorgebrachte Argument verfehlte seine Wirkung. Aus dem Telefonhörer konnte auch Helene jetzt eine aufgeregte, weibliche Stimme hören. Elfriede sandte flehende Blicke zur Decke, blieb aber freundlich und sachlich.
»Dann war es unser Fehler, dass wir Ihnen das nicht vorher gesagt haben. Selbstverständlich bekommen Sie eine neue Tüte Müsli. Ach so, Sie wollen kein Müsli mehr von uns, weil Sie sich davor ekeln. Gut. Ich versichere Ihnen zwar, dass unser Müsli wöchentlich frisch verpackt und garantiert mottenfrei ist, aber Sie sollen es natürlich mit Appetit essen. Sie können sich etwas anderes bei uns aussuchen. Selbstverständlich. Ich sage an der Kasse Bescheid. Vielen Dank für Ihren Anruf. Auf Wiederhören!« Elfriede legte den Hörer auf. »Ich liebe Reklamationen. Wege der Übung in Demut und Geduld!«
»Und wie läuft dein Laden sonst so?«
»Na ja, reich werde ich damit nicht. Und die vielen großen Biomarktketten, die überall aus dem Boden schießen, machen uns ganz schön zu schaffen. Wir sind sozusagen einer der letzten Mohikaner. Aber es macht mir immer noch Spaß.«
»Das ist doch
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