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Schatzfinder

Schatzfinder

Titel: Schatzfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Scherer
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sind die Leute, egal, ob sie selbst gut oder schlecht verdienen. Das ist der Neidfaktor.
    Wer die Menschen nur ein wenig beobachtet, kann auch dieses Phänomen leicht in freier Wildbahn nachprüfen. Die Menschenvergleichen sich ständig mit anderen. Und fällt der Vergleich für sie selbst ungünstig aus, dann gibt es zwei Möglichkeiten: die anstrengende und die billige. Die anstrengende wäre, sich auf den Hintern zu setzen, sich fortzubilden und hart zu arbeiten, um die anderen zu überholen. Die billige Methode ist, die Erfolgreicheren runterzumachen, über sie abzulästern, gegen sie zu hetzen, ihnen übel nachzureden, sie zu kriminalisieren, sie lächerlich zu machen, ihnen am Wahltag die Quittung zu geben. So lange, bis im Idealfall wieder alle gleichgestellt sind. Der Grund, warum ich keine Zeitungen lese, liegt darin, dass bei uns die billige Methode die übliche Methode ist.
    Wirklich aufschlussreich ist aber erst die dritte Erkenntnis aus der DIW-Studie: Sobald man nicht mehr alle Probanden in einen Topf wirft, sondern eine Altersstaffelung durchführt, kann man eindeutig erkennen, dass der Neid in jungen Jahren noch gar nicht existiert. Junge Menschen können sich noch aufrichtig freuen, wenn Altersgenossen erfolgreich sind, selbst wenn diese erfolgreicher sind als sie selbst. Der Erfolg der anderen wird eher als Ansporn verstanden, denn das Leben liegt ja noch vor einem, und man kann noch viel erreichen.
    Je älter aber Menschen werden, desto schlimmer wird der Neid, und desto beißender wird die Vergleicherei, das Gefühl der Ungerechtigkeit und dementsprechend der Wunsch nach Gleichmacherei – damit nur ja keiner besser dasteht als man selbst. Erstaunlich. Woran kann das nur liegen?
    Die Forscher liefern auch gleich die Antwort mit: Wenn ältere Menschen andere sehen, die erfolgreicher sind als sie selbst, dann erinnert sie das an ihre eigenen verpassten Chancen, an ihre Unterlassungssünden. Sie wollen den anderen insgeheim deren Erfolg wegnehmen, damit sie nicht sehen müssen, wie sie ihr eigenes Leben vergleichsweise vergeudet haben. Erst wenn die Menschen dann noch deutlich älter werden und sie feststellen müssen, dass ihnen die Felle tatsächlich unwiederbringlich davongeschwommen sind, arrangieren sie sich, und der Neid macht einer tiefen Resignation und einem angeknacksten Selbstwertgefühl Platz.
Bedauerlich
    »Lieber Petrus, ich war sonntags immer in der Kirche.«
    Petrus schaute skeptisch und musterte den frisch Gestorbenen, der gerade ins Himmelreich einziehen wollte.
    Und weil Petrus immer noch mit seinen Schlüsseln spielte und keine Anstalten machte, das Tor zum Himmelreich zu öffnen, legte der Mann nach: »Doch wirklich, ich war sogar ein sehr fleißiger Kirchgänger, auch wenn die Predigten manchmal ziemlich flau waren, das muss ich zugeben.«
    Petrus schaute eher strenger statt wohlwollender, darum brachte der Mann mit Nachdruck sein stärkstes Argument vor: »Und wenn meine Kumpels am Samstagabend Kartenspielen waren und anschließend um die Häuser gezogen sind und sonntagmorgens einen Kater hatten und in fremden Betten aufgewacht sind, dann war ich nie dabei, denn ich bin jeden Sonntagmorgen in der Kirche gewesen!«
    »Na eben drum, du Trottel!«, schmetterte ihm Petrus entgegen. »Deine olle Kirche ist schlimmstenfalls eine Vereinigung von Pädophilen! Am liebsten wäre es mir gewesen, du hättest die Kirche abgebrannt und wärst stattdessen mit deinen Kumpels auf die Party gegangen! Denn die Kirche ist nicht mehr das, was sie sein sollte, und mein Wunsch war immer, dass ihr euer Leben lebt.«
    Der Mann fiel fast um vor Schreck. Und Petrus setzte noch einen drauf: »Du Jammerlappen! Jetzt haben wir dir 58 Jahre Leben vom Feinsten geschenkt, und du vergeudest alles. Du Dussel hast es nicht genutzt! Setzt dich auf die Kirchenbank, anstatt zu feiern! Jetzt müssen wir dich nochmal leben lassen!«
    Mit diesen Worten schickte er ihn weg – und gab ihm kopfschüttelnd eine neue Chance.
    Nein, keine Sorge, diese Geschichte hat nicht wirklich etwas mit dem Christentum zu tun und ist auch nicht so gemeint. Die Vorstellung, dass es ein Himmelstor gibt und dass Petrus den Torwächter spielt, geht zurück auf mittelalterliche Gemälde, in denen Petrus von den Künstlern gerne Schlüssel in die Hand gegebenwurden, damit man ihn als Petrus erkennt. Denn im Matthäus-Evangelium steht schließlich geschrieben, dass Jesus zu Petrus sagt: »Und ich will dir des Himmelreichs Schlüssel geben.«

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