Schatzfinder
Das ist aber nur symbolisch gemeint. Der Schlüssel zum Himmelreich ist laut dem Christentum die Erkenntnis, dass Jesus der Christus, also der Erlöser, der Gottessohn ist. Wer ihm nachfolgt, wird ins Himmelreich gelangen.
Wer aber hat gesagt, wie es geht, Jesus nachzufolgen? Wer hat gesagt, dass Jesus nachzufolgen bedeutet, brav zu sein und die Regeln zu befolgen? War Jesus selbst nicht einer, der sich mit den frommen Pharisäern gehörig angelegt hat? Der mit der Peitsche die Geldwechsler und Taubenhändler aus dem Vorhof des Tempels getrieben hat? Der Partys gefeiert hat, zu denen die Leute aus dem ganzen Umland gekommen sind? Der auf einer dieser Partys seine Bergpredigt zum Besten gab, in der er das ganze Regelwerk der Tora kurzerhand auf den Kopf stellte und im krassen Gegensatz zum Alten Testament das Heil schon für die Jetztzeit und unbeschränkt für alle ausgerufen hat? Und was haben wir in den vergangenen 2 000 Jahren davon aufgeschnappt und umgesetzt?
Was wir bereuen, sind nicht unsere Taten, nicht das, was wir vergeblich versucht haben, nicht unser Scheitern – sondern unsere Versäumnisse. Unsere Unterlassungssünden.
Die australische Altenpflegerin Bronnie Ware hat ein ergreifendes Buch darüber geschrieben, was alte Menschen ihr am Sterbebett anvertraut haben. Sie hat einen ziemlich guten Überblick darüber gewonnen, was wir Menschen am Lebensende bereuen. Was wir bereuen, sind nicht unsere Taten, nicht das, was wir vergeblich versucht haben, nicht unser Scheitern – sondern unsere Versäumnisse. Unsere Unterlassungssünden.
»Wenn sie sterben, kommen eine Menge Ängste und Wut aus den Menschen heraus. Und dieses ›Ich wünschte …‹ und dieses ›Hätte ich doch nur …‹ kommt immer wieder«, sagt Bronnie Ware.
Fünf Dinge hat sie identifiziert, die Sterbende am meisten bedauern:
»Hätte ich nur den Mut gehabt, mein eigenes Leben zu leben!«
»Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet.«
»Hätte ich nur den Mut gehabt, meine Gefühle auszudrücken.«
»Ich wünschte mir, ich hätte den Kontakt zu meinen Freunden gehalten.«
»Ich hätte mir erlauben sollen, glücklicher zu sein.« Viele Menschen erkennen erst auf dem Sterbebett, dass sie eigentlich die Freiheit gehabt hätten, ihren Lebensweg zu wählen. Und dann ist es zu spät. Die Interviews mit den Sterbenden haben Bronnie Ware so tief bewegt, dass sie sich dieselben Fragen, die die alten Menschen umtreiben, selbst stellt. Und da wurde ihr klar, dass »ich mich viel zu lange so verhalten habe, wie es von mir erwartet wurde«.
Darum hat sie für sich entschieden: »Ich mache nur noch, was ich will. Denn ich weiß ja, was ich sonst auf meinem Sterbebett bereuen werde.«
Wir sterben nicht zu früh, wir leben nur zu wenig.
Wir sterben nicht zu früh, wir leben nur zu wenig. Unsere Zeit geht dahin. Wenn man beispielsweise unsere Lebenszeit und die Aktivitäten unserer Lebenszeit sinnvoll zusammenpacken würde, sodass man also immer die Dinge, die immer dieselben sind, auf einmal macht, dann würden wir zwei Monate lang mit unserem Auto die Straße vor unserem Haus auf- und abfahren. Wir haben sieben Monate lang Sex (wie aufreibend), 30 Jahre lang schlafen wir, ohne ein einziges Mal die Augen zu öffnen, fünf Monate lang sitzen wir auf dem Klo und blättern in Zeitschriften, wir nehmen in 27 heftigen Stunden alle Schmerzen auf einmal auf uns, Knochenbrüche, Autounfälle, Schnittwunden und Geburten. Wenn wir das überstanden haben, verläuft der Rest unseres Daseins im Diesseits schmerzfrei. Sechs Tage Nägel schneiden, 15 Monate lang verlorene Gegenstände suchen, 18 Monate Schlange stehen, zwei Jahre Langeweile, Blick aus Busfenstern und warten in Flughafenterminals,ein Jahr lang Bücher lesen. Unsere Augen brennen, unser ganzer Körper juckt, weil wir uns vor unserer 200-tägigen Marathondusche nicht waschen können, zwei Wochen lang denken wir über das Leben nach dem Tod nach, eine Minute lang erschrecken wir, weil wir hinfallen, 77 Stunden Verwirrung, eine Stunde lang feststellen, dass wir den Namen eines Menschen vergessen haben, drei Wochen lang eigene Fehler einsehen, zwei Tage lang lügen, sechs Wochen warten, dass die Ampel grün wird, sieben Stunden lang erbrechen, 14 Minuten ungetrübte Freude, drei Monate lang Wäsche waschen, zwei Tage lang Unterschriften schreiben, sechs Tage lang Trinkgelder ausrechnen, 67 Stunden Herzschmerz, 51 Tage lang entscheiden, was wir anziehen wollen, neun Tage lang so tun,
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