Schatzfinder
die Dinge, auf die er seinen Fokus gerichtet hatte, bis in die letzte Konsequenz durchdrungen. Weil er überzeugt war von der Richtigkeit seiner Entscheidungen, hat er gar keine Energie darin investiert, sich andere Meinungen überhaupt anzuhören. Lanzelot hat den Stresspegel während des Kampfes auf null reduziert, Jobs hat die Bremsen in seinem Unternehmen gelöst. Und wenn ihn jemand doch umstimmen wollte, schlicht weil er in einer wichtigen Sache anderer Meinung war, dann musste er nach den gleichen Spielregeln spielen: Er musste bereit sein, den Auftrag zu verlieren, die Geschäftsbeziehung zu beenden, seinen Job aufzugeben, er musste bereit sein, für die Sache alles aufs Spiel zu setzen. Wer dazu nicht bereit war, wurde von Jobs erst gar nicht angehört.
Wer aber zeigte, dass er für seine Überzeugung bis zum Letzten gehen würde, der hatte nicht nur die Chance, gehört zu werden, sondern sogar die seltene Möglichkeit, Jobs zu überzeugen. Mehr noch: Der hatte die Chance, von einer der faszinierendsten Persönlichkeiten der Wirtschaftsgeschichte anerkannt, geschätzt und in die Führungsriege von Apple aufgenommen zu werden. Einige derer, die das gewagt haben, Jonathan Ive, Tim Cook und ein paar andere, sind heute, nach dem Tod von Steve Jobs, die führenden Köpfe des Unternehmens.
Das Leben ist sogar lebensgefährlich.
Bereit sein, alles zu verlieren? Ist das nicht gefährlich? Ja. Es ist gefährlich. Das Leben, wenn man es ernst nimmt, ist hochgefährlich. Das Leben ist sogar lebensgefährlich. Es schließt den Tod mit ein. Manchmal stirbt sogar mehr als nur ein Mensch. Nämlich die Hoffnungen des ganzen Rests.
Das Leben stellt keine Verträge aus, die Risikoausschlussklauseln enthalten.
Nur, respektlos gesagt: Wer Gleitschirm fliegt, kennt das Risiko. Wer Formel-1-Fahrer ist, weiß, dass er beim Autofahren sterben kann. Den Deal unterschreibt man vorher, und das Leben stellt keine Verträge aus, die Risikoausschlussklauseln enthalten.
Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben.
Wir sind furchtbar schlecht im Umgang mit Risiken. Wir haben Angst vor dem Fliegen, dabei ist der Weg zum Flughafen deutlich gefährlicher. Wir gehen ständig Risiken ein, ohne mit der Wimper zu zucken, weil wir sie nicht sehen. Dafür sehen wir andere Gefahren, die es gar nicht gibt. Und am besten sind wir darin, andere für unsere Risiken verantwortlich zu machen. Ein Amerikaner hat Porsche verklagt, weil er einen Unfall hatte. Natürlich: Die Leute bei Porsche sind wahre Unmenschen, solche gefährlichen Autos herzustellen. Deshalb gibt es auch keinen heißen Kaffee mehr in USA, weil jeder Anbieter Angst hat, dass er verklagt werden könne, sofern sich jemand verbrüht. Die Angst vor dem Tod kann uns fertigmachen. Und sie kann sogar verhindern, dass wir überhaupt leben. Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben. Aber dabei kann es gar nicht sein, dass wir zu früh sterben. Wir leben bis dahin höchstens zu wenig.
Es ist, wie es ist
Eine technische Störung sei der Grund für die gut einstündige Verspätung, aber die sei nun behoben. Es ist 0:30 Uhr. Die Passagiere des Lufthansa-Fluges LH 731 von Hongkong nach München nehmen Platz, sichtlich erleichtert, endlich abzufliegen. Ich bin einer von ihnen und falte meine zwei Meter in den Sessel. Warum nur habe ich so ein mulmiges Gefühl?
Wir heben ab, gleiten in die Nacht, die Flugbegleiterinnen reichen heißen Tee. Alle schlürfen zufrieden – bis der Inhalt der Tassen senkrecht in die Luft schießt! Der Flieger sackt ruckartig ab. Heißer Tee spritzt mir auf die Hose. Die übliche Durchsage »… wir nähern uns Turbulenzen, bitte bleiben Sie angeschnallt …« bleibt aus. Stattdessen schreit der Flugkapitän durch den Lautsprecher: »Sit down, everybody! Sit down!«
Down. Die Boeing ist nur noch ein Spielball im Wind. Ich fühle mich wie im Mixer. Wäre ich nicht angeschnallt, würde ich wieein Flummi auf- und abspringen. Mein Sitznachbar krallt sich in seinen Rosenkranz, seine Lippen bewegen sich hastig betend. Ich versuche, meinen rasenden Puls in den Griff zu bekommen. Sequenzen aus meinem Leben flackern durch meinen Kopf. Mutter, Vater. Es hört nicht auf zu schütteln. Meine Finger beginnen zu schmerzen, ich versuche, die Armlehnen loszulassen. Ein Kind weint wimmernd. Ich höre ein Rauschen. Ich spiele im Sand. Mama, was hast du gesagt? … Eine Frau tätschelt sanft meinen Arm, beugt sich zu mir: »Wachen Sie auf! Guten Morgen! Möchten Sie Frühstück?«
Verdutzt
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