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Schatzfinder

Schatzfinder

Titel: Schatzfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Scherer
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lieben Gott beziehungsweise von seiner durch ihn autorisierten biologischen Evolution!
    Wer ein Auge verliert, erhält einen Invaliditätsgrad von 50 Prozent – an der Höhe der Entschädigungssummen, die Versicherungen für den Verlust des Augenlichts bezahlen, kann man die Bedeutung des Sehsinns für uns Menschen ablesen. Beispielsweise wurden vom Oberlandesgericht Köln einer 23-jährigen Frau, die durch den Huftritt eines Pferdes beidseitig erblindete, ein einmaliges Schmerzensgeld von 150 000 Euro zuerkannt sowie eine lebenslange monatliche Schmerzensgeldrente von 200 Euro – und das, obwohl die Frau selbst eine Mitschuld von einem Drittel trug.
    Der Invaliditätsgrad bei Verlust des Geruchssinns beträgt nur 10 Prozent – wir sind nun mal keine Hunde, deren Versicherungsgesellschaft vermutlich anders gewichtet hätte. Wir nehmen 70 bis 80 Prozent aller Informationen über unsere Umwelt über die Augen wahr. Wir sehen die Welt in 3-D und in Farbe, können blitzschnell auf veränderte Lichtverhältnisse oder unterschiedliche Entfernung adaptieren, 16 Stunden am Tag schauen wir. Wir sind Meisterseher! Und doch täuschen wir uns ständig.
    Tausende Arten von optischen Täuschungen machen deutlich, wie sehr wir uns permanent über die Entfernungen, Größenverhältnisse, Parallelitäten, Farben, Bewegungen und vieles mehr täuschen.
    Denn die Bilder, die wir mit unseren Augen zu sehen glauben, sehen wir in Wirklichkeit gar nicht mit den Augen, sondern mit dem Sehzentrum in unserem Gehirn. Der Sehnerv leitet lediglich elektrische Impulse ins Gehirn, die dort ausgewertet, interpretiert, ergänzt und bewertet werden. Tausende Arten von optischen Täuschungen machen deutlich, wie sehr wir uns permanent über die Entfernungen, Größenverhältnisse, Parallelitäten, Farben, Bewegungen und vieles mehr täuschen. Ja, unser Gehirn geht sogar so weit, dass es fehlende Teile der Bilder, die wir wahrnehmen, ergänzt. Und das nicht immer korrekt. Wenn Sie beispielsweise nachts den Sternenhimmel anschauen, dann müssen Sie immerleicht an dem Stern, den Sie fixieren wollen, vorbeischauen, denn wenn Sie ihn genau fokussieren, verschwindet er – unser Gehirn ersetzt eine Fehlstelle mitten im Bild durch das Schwarz des Nachthimmels.
    An diesem Blinden Fleck fehlen im Augeninnern die Sehzellen, denn an diesem Ort, der Papille, laufen die Fasern der Sehnerven gebündelt zusammen und treten aus dem Auge aus, für Sehzellen ist da kein Platz. Anatomisch ist das nicht anders möglich, denn im embryonalen Stadium wird die Netzhaut des Auges durch eine direkte Ausstülpung des Gehirns gebildet, und irgendwo müssen die Nerven aus dem Auge herausführen.
    Die bildverarbeitenden Hirnregionen gleichen diesen Konstruktionsnachteil aus, indem die Farben der umgebenden Bereiche in das Loch im Bild eingeblendet werden, um es aufzufüllen. Biologen nennen diesen Prozess »filling-in«. Der französische Naturforscher Edme Mariotte entdeckte den Blinden Fleck 1660 und überraschte seinen König mit einem Versuch, bei dem er im Blickfeld des Königs eine Münze verschwinden ließ.
    Wie blind und taub sind wir wirklich, und was bedeutet das für unser Bild der Welt?
    Wenn wir aber ganze Sterne, Münzen und sonstige wichtige Details direkt vor unseren Augen schlichtweg nicht sehen können, wie vollständig, real und korrekt ist dann das, was wir sehen? Und das Gleiche gilt auch für das Hören, Riechen, Schmecken und Tasten. Wie blind und taub sind wir wirklich, und was bedeutet das für unser Bild der Welt?
    Und wenn wir Meisterseher sind und uns in einer von uns so oft und regelmäßig ausgeführten Tätigkeit doch so heftig täuschen, wie sieht es dann erst mit Tätigkeiten aus, die wir nicht so häufig und regelmäßig ausführen wie beispielsweise Rechnen, Denken, Entscheiden?
Man sieht nur, was man weiß
    Zwar trauen wir unseren Augen – was bleibt uns denn anderes übrig? –, aber was wir wahrnehmen, stimmt in Wahrheit nur zu einem unbekannten Anteil. Gut, Sie könnten sagen, der Blinde Fleck ist ja nur ein kleiner Teil. Wenigstens der ganze Rest des Bildes gibt die wahre, einzige, wirkliche Realität wider. Aber stimmt das denn?
    Die Britin Judy Taylor konnte als kleines Kind in den Dreißiger Jahren noch ganz normal sehen, aber dann trübte sich ihr Gesichtsfeld nach und nach ein. Es sah aus, als ob sie durch einen Wasserfall hindurchblicken würde. Die Welt verschwamm vor ihren Augen. Im Alter von neun Jahren musste sie die Regelschule

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