Schatzfinder
scheiterte, würde der Winter schrecklich werden. Und womöglich würden viele Stammesmitglieder verhungern müssen. Seine Verantwortung war immens, er fürchtete, sie nicht tragen zu können, seine Beine gaben nach, und er sank vor dem Häuptling auf die Knie, den Brief in der Hand. Doch der Häuptling wendete sich von ihm ab und verschwand im großen Zelt.
Der Jüngling blieb regungslos auf den Knien und bedachte mit gesenktem Kopf sein Dilemma. Ein Ablehnen der Aufgabe war nicht vorgesehen. Ein Scheitern auch nicht. Würde er die Reise antreten und den Brief überbringen, könnte er dabei sterben, denn er wusste, dass seine Route durch das Territorium eines verfeindeten Stammes führte. Würde er nicht losgehen, wäre das so ähnlich wie sterben, denn er wäre an der ersten großen Aufgabe seines Lebens gescheitert. Keine ehrbare Frau würde mit ihm verbunden sein wollen, er würde alle seine Freunde verlieren, sein Vater würde sich von ihm abwenden. Nach einer Weile stand er auf, packte seine Sachen und verließ das Dorf noch in derselben Stunde.
Doch er hatte Pech. Schon am dritten Tag wurde er kurz nach der Überquerung eines Gebirgsbaches von drei furchterregend bemalten feindlichen Kriegern überrascht und mit gespannten Bögen gestellt. Drei Pfeile zielten aus drei Richtungen mitten in sein Gesicht. Der größte der drei Indianer, ein starker Krieger, dessen Arme voller Narben waren und der ihn um Haupteslänge überragte, senkte seinen Bogen, kam auf ihn zu und baute sich direkt vor ihm auf. Er stellte sich stolz mit seinem vollen Namen und dem Namen seines Vaters vor und erklärte dem Jüngling mit grimmiger Stimme, dass er geschworen hatte, die ersten zehn Menschen, die den Bach überquerten, im Zweikampf auf Leben und Tod zu besiegen. Er sei der siebte und dem Tode geweiht.
Der Jüngling sah ihm direkt in die Augen und hatte keine Angst, denn mit seinem Leben hatte er bereits abgeschlossen, bevor er aufgebrochen war. Er entgegnete, dass er ebenfalls einen Schwur geleistet hatte, nämlich einen Brief zu übergeben. Er schlug einen Handel vor: »Ich respektiere dein Gelübde und stelle mich zum Zweikampf. Aber ich fordere dich auf, auch mein Gelübde zu respektieren. Lass mich den Brief übergeben, dann kehre ich zurück, um mit dir zu kämpfen. Du hast mein Wort.«
Der Krieger war verblüfft über die Kühnheit des Jünglings. Nach kurzem Zögern willigte er ein. Der Jüngling zog weiter.
Als er beim berühmten Medizinmann angekommen war und ihm den Brief übergeben hatte, erzählte er ihm von dem bevorstehenden Zweikampf und fragte ihn um Rat. Er hatte noch nie zuvor mit einem erfahrenen Krieger gekämpft und noch nie bisher in seinem Leben einen Kampf auf Leben und Tod ausgefochten. Er war sich sicher, sterben zu müssen.
»Ja«, sagte der Medizinmann, »es gibt keinen Zweifel. Du wirst sterben. Du kannst nicht gewinnen. Ich werde dich darum die beste Art zu sterben lehren. Komm morgen früh in mein Zelt.«
Am nächsten Morgen erklärte ihm der Medizinmann die beste Art zu sterben: »Wenn dein Gegner vor dir steht, setzt du beide Füße schulterbreit auf den Boden und beugst deine Knie nur ein klein wenig. Du wirfst deinen Tomahawk zur Seite weg, sodass dein Gegner sehen kann, wohin er fällt. Dann nimmst du deinMesser und legst die Klinge zwischen deine beiden flachen Hände, die du zusammenlegst, sodass der Griff des Messers von dir wegzeigt. Du hebst beide Arme hoch über den Kopf, sodass der Griff des Messers senkrecht nach oben ragt und deine Ellenbogen links und rechts vom Kopf nach außen zeigen. Du machst deinen Rücken ganz gerade und richtest deinen Kopf auf, sodass du deinem Gegner gerade in die Augen schauen kannst. Dann schließt du die Augen und wartest auf deinen Tod.
Dein Tod wird kommen, indem dir der Schädel gespalten wird. Du wirst das zuerst spüren wie einen Funken, der aus dem Lagerfeuer spritzt und dir die Haut versengt, nur hundertfach stärker. Halte die Augen geschlossen und warte aufmerksam. Und wenn der Tod kommt und du den Funken auf deinem Scheitel spürst, dann lass sofort alles fallen: dein Messer, deine Arme, deinen ganzen Körper, alle Dinge, die du besitzt, deine Erinnerungen, deine Familie, deine Ahnen. Lass alles sofort fallen, wenn der Tod kommt. Mehr kann ich nicht für dich tun.«
Der Jüngling reiste zurück zu dem Gebirgsbach und stellte sich dem feindlichen Krieger. Der packte seinen Tomahawk fest in die rechte Faust, duckte sich und fletschte mit
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