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Schau Dich Nicht Um

Titel: Schau Dich Nicht Um Kostenlos Bücher Online Lesen
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der besten Seite gezeigt und dich dann wie eine Diebin aus dem Haus geschlichen hast; nur weil Adam Stohn nicht der ist, der er zu sein vorgibt, weil Rick Ferguson quietschvergnügt nach Kalifornien fliegen darf, anstatt auf dem elektrischen Stuhl zu landen... Nein, erinnerte sie sich, während sie immer zwei Stufen auf einmal nehmend die Treppe hinauflief, heutzutage wird man in Illinois nicht mehr gegrillt. Heute wird man eingeschläfert. Wie ein Hund, dachte sie in Erinnerung an die letzten Worte in Kafkas Prozeß und weinte noch heftiger.
    Keine Jazzrhythmen begleiteten sie nach oben; kein Lichtschein fiel durch die Ritze unter Walter Frasers Wohnungstür in den Treppenflur. Wahrscheinlich ist er übers Wochenende weg, dachte sie und überlegte sich, daß sie Don anrufen könnte, wenn sie oben war, ihm vorschlagen, ein paar Tage nach Union Pier hinauszufahren. Um Adam Stohn - oder wie, zum Teufel, er sonst heißen mochte - zu vergessen.
    Sie schloß die Tür zu ihrer Wohnung auf und trat ein, ließ sich von der Stille und der Dunkelheit hineinziehen wie von alten Freunden, die auf einem Fest einen verspäteten Gast mit Wärme empfangen. Keine Notwendigkeit mehr, den ganzen Tag das Radio laufen und das Licht brennen zu lassen. Keine unschuldigen süßen Lieder mehr, die sie in ihrer Wohnung willkommen hießen. Sie schloß die Wohnungstür ab, auch das Sicherheitsschloß.
    Der Schein der Straßenbeleuchtung, der durch die dünnen elfenbeinfarbenen Spitzenvorhänge floß, tauchte den leeren Vogelkäfig in geisterhaftes Licht. Sie hatte nicht die Kraft aufgebracht, ihn wegzutun, nicht den Willen, ihn hinten in einem Schrank zu verstecken, nicht die Vernunft, ihn zur Straße hinunterzutragen, um ihn der Heilsarmee zur Abholung zu überlassen. Armer Fred, dachte sie und begann von neuem zu weinen.

    »Arme Jess«, flüsterte sie. Sie ließ ihre Handtasche zu Boden fallen und schleppte sich zu ihrem Schlafzimmer.
    Er überfiel sie von hinten.
    Sie sah nichts, und sie hörte nichts, bis plötzlich der Draht um ihren Hals lag und sie brutal nach hinten gerissen wurde. Wie eine Rasende griff sie sich mit den Händen an den Hals und mühte sich verzweifelt, ihre Finger zwischen Draht und Fleisch zu graben. Der Draht schnitt in ihre verbundene Hand ein, sie spürte-frisches klebriges Blut an ihren Fingern, hörte sich selbst röcheln und krampfhaft nach Luft schnappen. Sie konnte nicht atmen. Der Draht schnürte ihr die Sauerstoffzufuhr ab, so fest war er um ihren Hals gezogen. Sie verlor die Kontrolle über ihre Beine, merkte, wie ihre Zehen vom Boden abhoben. Mit aller Kraft, die sie zur Verfügung hatte, kämpfte sie darum, auf den Beinen zu bleiben, stemmte sie sich gegen ihren Angreifer.
    Bis es ihr mitten in der Panik plötzlich einfiel - wehr dich nicht, stemm dich nicht dagegen, gib nach, geh mit. Wenn jemand dich zieht, dann leiste keinen Widerstand, dann ziehe nicht dagegen, sondern überlasse dich der Kraft des anderen, bis du seinen Körper berührst. Und wenn es soweit ist, dann schlag zu.
    Sie hörte auf, sich zu wehren. Sie leistete keinen Widerstand mehr, obwohl es allen ihren Instinkten widersprach. Statt dessen ließ sie ihren Körper erschlaffen und fühlte, wie ihr Rücken sich über dem Brustkorb des Mannes krümmte, der sie an sich heranzog. Ihr Hals war ein einziger pochender Schmerz. Einen entsetzlichen Moment lang glaubte sie, es könnte zu spät sein, sie würde gleich das Bewußtsein verlieren. Sie fand die Vorstellung überraschend verführerisch und war vorübergehend verlockt, ihr nachzugeben. Warum hinauszögern, was unvermeidlich war? Schwärze waberte um sie herum. Warum nicht in sie eintauchen? Warum nicht einfach für immer in ihr untergehen?
    Aber da begann sie plötzlich, sich zu wehren, kämpfte sich aus der
Schwärze heraus, indem sie hinter die Kraft des Mannes, der sie zog, ihre ganze eigene Kraft setzte und ihn zu Boden stieß. Sie stürzte mit ihm. Ihre Arme schossen in die Höhe, trafen den Vogelkäfig und rissen ihn zu Boden. Der Mann schrie, als er das Gleichgewicht verlor, und sie fiel mit allen Waffen, die ihr zu Gebote standen, über ihn her: Mit den Füßen trat sie ihn; mit den Fingernägeln kratzte sie; mit den Ellbogen stieß sie ihn in die Rippen.
    Sie merkte, wie der Draht um ihren Hals sich lockerte, und es gelang ihr, sich zu befreien. Keuchend und nach Luft schnappend sprang sie auf die Füße, versuchte verzweifelt, ihre Lunge mit Luft zu füllen und wäre vor

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