Schau Dich Nicht Um
die Zeitung von vorn bis hinten kannte. Und jetzt liest du nur noch die Kochrezepte? Herrgott noch mal, du hattest eine Riesenkarriere vor dir! Und jetzt hast du nur noch Kochtöpfe und schmutzige Windeln vor dir! Dank diesem wunderbaren Mann hier. Und du willst mir weismachen, daß dir das Spaß macht?«
»Sie hat es nicht nötig, dir irgend etwas weiszumachen«, fuhr Barry sie wütend an.
»Ich glaube, meine Schwester ist fähig, für sich selbst zu sprechen. Oder gehört das zu den neuen Regeln hier im Haus? Daß du für sie sprichst.«
»Soll ich dir mal sagen, was ich glaube, Jess?« fragte Barry und wartete gar nicht auf eine Antwort. »Ich glaube, du bist eifersüchtig.«
»Eifersüchtig?«
»Ja, eifersüchtig. Weil deine Schwester einen Mann und eine Familie hat und glücklich ist. Und was hast du? Einen Tiefkühlschrank voll Gefrierpizza und einen verfluchten Kanarienvogel.«
»Gleich wirst du mir sagen, daß ich nur mal richtig durchgebumst werden muß.«
»Jess!« Maureen fing an zu weinen.
»Nein, richtig versohlen müßte dich mal einer«, sagte Barry. Er ging zum Flügel vor dem großen Panoramafenster und schlug mit geballter Faust auf die Tasten. Das Geräusch schriller Disharmonie klang laut durch das Haus. Oben begannen die Zwillinge zu weinen.
Maureen senkte ihren Kopf auf ihre Brust und weinte lautlos in den gestärkten weißen Kragen ihrer Bluse. Dann rannte sie, ohne Jess oder Barry anzusehen, aus dem Zimmer.
»Verdammt!« flüsterte Jess, selbst den Tränen nahe.
»Eines Tages«, sagte Barry leise, »wirst du zu weit gehen.«
»Ich weiß.« Jess’ Stimme triefte vor Sarkasmus. »Du vergißt nie etwas. Du vergiltst Gleiches mit Gleichem.« Im nächsten Augenblick rannte sie ihrer Schwester hinterher die Treppe hinauf. »Maureen, bitte warte! Ich muß mit dir reden.«
»Es gibt nichts zu reden«, sagte Maureen und öffnete die Tür zum Kinderzimmer rechts von der Treppe. Der Geruch nach Babypuder stieg Jess in die Nase wie schweres Betäubungsmittel. Erneut überfielen sie Schwindel und Übelkeit, und sie wich zurück, blieb an den Türpfosten gelehnt stehen und sah zu, wie Maureen ihre beiden kleinen Töchter versorgte.
Die Kinderbetten standen im rechten Winkel an der gegenüberliegenden Wand, über ihnen drehten sich sachte zwei Mobiles mit kleinen Tieren. Neben einem großen Schaukelstuhl, der in der Mitte des Zimmers stand, gab es einen bequemen Sessel mit einem Bezug in weißen und kardinalroten Streifen, und an der Seitenwand stand der Wickeltisch. Maureen neigte sich über die kleinen Bettchen und redete einen Moment beruhigend auf ihre Kinder ein, ehe sie über die Schulter hinweg zu Jess sprach, energische Worte mit einer Sanftheit in der Stimme, die täuschte.
»Ich verstehe dich nicht, Jess. Wirklich nicht. Du weißt doch genau, daß Barry das alles nicht so meint. Er frotzelt dich einfach gern ein bißchen. Warum springst du jedesmal darauf an?«
Jess schüttelte den Kopf. Rechtfertigungen und Erklärungen wollten ihr auf die Zunge, aber sie schluckte sie alle hinunter und gestattete sich nur eine Entschuldigung. »Es tut mir leid. Wirklich. Ich hätte mich besser beherrschen müssen. Ich weiß auch nicht, was passiert ist«, fuhr sie fort, als die Entschuldigung nicht auszureichen schien.
»Das gleiche, was immer passiert, wenn ihr zusammen seid, du und Barry. Nur war’s diesmal noch schlimmer als sonst.«
»Er schafft es aber auch jedesmal, mich auf die Palme zu bringen, ganz gleich, wie sehr ich mich bemühe, friedlich zu sein.«
»Du bringst dich selber auf die Palme.«
»Ja, vielleicht.« Jess lehnte den Kopf an den Türpfosten zurück und lauschte dem Quengeln der beiden Säuglinge, die beim Klang der mütterlichen Stimme allmählich ruhiger wurden. Vielleicht sollte sie Maureen von Rick Fergusons Drohung erzählen, von ihrem Alptraum und den Angstanfällen, die diese Drohung ausgelöst hatte. Vielleicht würde Maureen sie in die Arme nehmen und ihr sagen, daß alles gut werden würde. Sie sehnte sich so sehr danach, daß jemand sie in die Arme nahm und tröstete. »Ich hab wirklich einen scheußlichen Tag hinter mir.«
»Scheußliche Tage haben wir alle mal. Das gibt einem noch lange nicht das Recht, ekelhaft und gemein zu sein.«
»Ich hab doch gesagt, daß es mir leid tut.«
Maureen hob eines der kleinen Mädchen aus dem Bett. »So, Carrie, geh mal zu deiner bösen Tante Jessica.« Sie legte Jess den Säugling in die Arme.
Jess drückte das kleine
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