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Schau Dich Nicht Um

Titel: Schau Dich Nicht Um Kostenlos Bücher Online Lesen
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einen guten Witz bin ich noch jedesmal hereingefallen.
    »Sie werden es nicht glauben«, sagte Adam Stohn, als er mit zwei großen Kartons in den Armen zurückkam, »aber es ist kein einziges Paar in Größe achtunddreißig mehr da. Ich habe Größe siebenunddreißig und Größe neununddreißig.«
    Sie probierte sie an. Wie vorhergesehen war siebenunddreißig zu klein, neununddreißig zu groß.
    »Sie haben wirklich keine Achtunddreißiger mehr da?«
    »Ich hab überall nachgesehen.«
    Jess zuckte die Achsel, sah auf ihre Uhr und stand auf. Sie hatte keine Zeit mehr.
    »Ich kann in einem unserer anderen Geschäfte anrufen«, erbot sich Adam Stohn.

    »Ja, gut«, antwortete Jess rasch und fragte sich sogleich, was das nun wieder sollte.
    Er ging zum Verkaufstisch vorn im Laden, griff zum Telefon, tippte eine Nummer ein und begann zu sprechen. Sie sah, wie er den Kopf schüttelte. Dann legte er auf und rief unter einer anderen Nummer noch einmal an. Und dann noch einmal.
    »Das ist doch nicht zu fassen!« sagte er, als er zu ihr zurückkam. »Ich habe drei Geschäfte angerufen. Sie haben alle keine Achtunddreißiger mehr. Aber«, fuhr er fort und hob den Zeigefinger in die Luft, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, »der eine Laden hat nachbestellt. Sie geben mir Bescheid, sobald sie hereinkommen. Soll ich Sie anrufen?«
    »Wie bitte?« Wollte er sich mit ihr verabreden?
    »Wenn die Stiefel kommen, soll ich Sie dann anrufen?«
    »Ach so, ja, natürlich. Ja, bitte. Das wäre sehr nett.« Jess war sich bewußt, daß sie nur redete, um ihre Verlegenheit zu vertuschen. Was hatte sie sich nur gedacht? Wieso hatte sie sich eingebildet, er wollte sich mit ihr verabreden? Weil er ihr ein Bonbon angeboten und einen Witz erzählt hatte? Weil ihr das gefallen hätte? Aber wenn sie den Mann attraktiv und charmant fand, hieß das noch lange nicht, daß es umgekehrt genauso war.
    Bleib auf dem Teppich, Jess, schalt sie sich, während sie ihm nach vorn folgte. Der Mann ist Schuhverkäufer, Herrgott noch mal. Nicht gerade das, was man einen tollen Fang nennt.
    Sei nicht so ein Snob, hörte sie eine feine Stimme. Wenigstens ist er kein Anwalt.
    »Ihr Name?« fragte er und griff zu Block und Bleistift.
    »Jess Koster.«
    »Und wo kann man Sie tagsüber erreichen?«
    Jess gab ihm ihre Telefonnummer im Büro an. »Vielleicht gebe ich Ihnen am besten auch meine private Nummer«, sagte sie und wollte ihren Ohren kaum trauen.

    »Ja, in Ordnung.« Er schrieb die Nummern auf. »Mein Name ist Adam Stohn.« Er deutete auf das Schild an seinem Jackett. »Länger als eine Woche sollte es nicht dauern.«
    »Wunderbar. Hoffentlich fängt es nicht schon vorher an zu schneien.«
    »Das wäre eine Unverschämtheit.«
    Jess lächelte und wartete, daß er noch etwas sagen würde, aber das tat er nicht. Vielmehr sah er an ihr vorbei zu einer Frau, die bewundernd vor einem Paar tomatenroter Charles-Jourdan-Pumps stand.
    »Nochmals vielen Dank«, sagte sie, bevor sie ging, aber er war schon auf dem Weg zu der anderen Frau und hatte für Jess nur noch ein kurzes Winken übrig.
     
    »Was hab ich mir denn dabei gedacht«, murmelte Jess vor sich hin, als sie hinten in das gelbe Taxi einstieg. Hätte sie sich überhaupt noch auffälliger benehmen können? Warum trug sie nicht gleich ein großes Schild um den Hals mit der Aufschrift EINSAM UND VERWIRRT?
    Im Taxi stank es nach Zigarettenqualm, obwohl an der Rückenlehne des Vordersitzes ein großes Schild hing, mit dem die Fahrgäste gebeten wurden, nicht zu rauchen. Sie nannte dem Fahrer die Adresse des Gerichtsmedizinischen Instituts in der Harrison Street und ließ sich auf dem abgewetzten, teilweise zerrissenen schwarzen Vinyl des Rücksitzes zurücksinken. So werden wahrscheinlich meine neuen Stiefel am Ende des Winters aussehen, dachte sie, während sie die Hand über die rauhe Oberfläche gleiten ließ.
    Was war nur in sie gefahren? Das war nun schon das zweite Mal innerhalb eines Monats, daß sie sich beinahe dazu hatte verleiten lassen, mit einem Fremden anzubändeln. Hatte sie aus dem Fall Barnowski überhaupt nichts gelernt? Und diesmal hatte der fragliche Mann nicht einmal Interesse an ihr gezeigt. Er hatte ihr ein Glas Wasser angeboten, ein Bonbon und eine nette kleine Geschichte,
aber nur um sich die erhoffte Provision zu verdienen. Er hatte in ihr Portemonnaie und nicht in ihre Hose reinzukommen versucht, als er den Witz von dem nackten Jogger erzählt hatte. Und sie hatte ihn kampflos

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