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Schau Dich Nicht Um

Titel: Schau Dich Nicht Um Kostenlos Bücher Online Lesen
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sich in einer Reihe auf.«
    Die Frauen tauschten nervöse Blicke, bildeten etwas zögernd eine Reihe. »An die Wand mit euch, ihr Säcke«, flüsterte Vas Jess zu und kicherte wie ein kleines Mädchen.
    »Lassen Sie viel Platz zwischen sich. Ja, so ist es gut. Gehen Sie noch ein Stück weiter auseinander. Wir werden gleich eine Menge Bewegungsfreiheit brauchen. Rollen Sie die Schultern nach rückwärts. Entspannen Sie sich. Ja, gut so. Schwingen Sie die Arme. Sie sollen richtig locker werden.«
    Jess schwang ihre Arme vorwärts und rückwärts, hinauf und hinunter. Sie ließ ihre Schultern kreisen, zuerst rückwärts, dann vorwärts. Sie drehte langsam den Kopf hin und her, hörte es knacken.
»Vergessen Sie nicht zu atmen«, sagte Dominic, und Jess stieß dankbar die Luft aus. »Okay, stellen Sie sich jetzt gerade hin. Und passen Sie gut auf. Die erste Verteidigungsstrategie heißt Kiyi. «
    »Hat er Kiwi gesagt?« fragte Vas, und Jess mußte sich auf die Zunge beißen, um nicht laut herauszulachen.
    » Kiyi ist ein lauter Schrei, ein gewaltiges Brüllen aus dem Zwerchfell. Hohh! « brüllte er, und die Frauen zuckten zusammen. » Hohh! « brüllte er wieder. » Hohh! «
    Ho, ho, ho, dachte Jess.
    » Kiyi hat zweierlei Funktionen«, erklärte er. »Einmal soll es das Bild des wehr- und sprachlosen Wesens auslöschen, das der Angreifer von Ihnen hat. Außerdem hilft es zu verhindern, daß Sie vor Furcht erstarren. » Hohh! « brüllte er wieder, und die Frauen sprangen erschrocken zurück. »Sie sehen, es enthält das Element der Überraschung. Und Überraschung kann eine sehr nützliche Waffe sein.« Er lächelte. »So, und jetzt versuchen Sie es.«
    Keine der Frauen rührte sich. Nach einigen Sekunden fingen Ayisha und Vas zu kichern an. Jess wußte nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Wie, dachte sie, konnte sie ihren Instinkten trauen, wenn sie nicht einmal genau wußte, was ihre Instinkte waren.
    »Na los!« ermunterte Dominic. » Hohh! «
    Wieder Schweigen, dann ein schwaches, zaghaftes »Hohh« aus Maryellens Mund.
    »Nicht ›Hohh‹, Hohh! «, sagte Dominic mit Nachdruck. »Höflichkeit ist in so einer Situation fehl am Platze. Wir wollen den Angreifer doch erschrecken, nicht ermutigen. Also, kommen Sie, schreien Sie mal kräftig. Hohh! «
    »Hohh!« rief Jess halbherzig und kam sich absolut lächerlich vor. Die Schlachtrufe der anderen klangen ähnlich erbärmlich.
    »Nun machen Sie schon!« drängte Dominic und ballte die Fäuste. »Sie sind jetzt Frauen, keine Damen. Zeigen Sie mir, wie Sie wütend werden. Brüllen Sie mal so richtig los. Ich weiß, daß Sie das können.
Ich bin schließlich mit vier Schwestern aufgewachsen. Erzählen Sie mir bloß nicht, Sie können nicht brüllen.« Er trat zu Maryellen. »Kommen Sie, Mama! Da ist ein Mann, der Ihre Tochter angreift.«
    » Hohh! « schrie Maryellen.
    »Das ist schon besser.«
    » Hohh! « schrie Maryellen wieder. »Hohh! Hohh! « Sie lachte. »Hey, das fängt an, mir zu gefallen.«
    »Es ist ein gutes Gefühl, für sich einzutreten, stimmt’s?« fragte Dominic, und Maryellen nickte. »Was ist mit euch anderen? Los, macht dem Angreifer mal Beine mit eurem Gebrüll.«
    »Hohh!« begannen die Frauen zu rufen, erst noch zaghaft, dann lauter, mit zunehmender Kraft. » Hohh! Hohh! «
    Jess wollte mitmachen, aber selbst als sie ihren Mund aufriß, kam ihr kein Laut über die Lippen. Was war los mit ihr? Seit wann hatte sie Angst davor, für sich einzutreten? Seit wann war sie so passiv geworden?
    Denk Zorn, befahl sie sich. Denk an dein Auto. Denk an Terry Wales. Denk an Erica Barnowski. Denk an Greg Oliver. Denk an deinen Schwager. Denk an Connie DeVuono. Denk an Rick Ferguson.
    Denk an deine Mutter.
    » Hohh! « brüllte Jess in die plötzliche Stille hinein. » Hohh! «
    »Perfekt!« rief Dominic begeistert und klatschte in die Hände. »Ich wußte ja, daß Sie es in sich haben.«
    »Klasse«, sagte Vas und drückte Jess die Hand.
    »Wenn sich nun ein möglicher Angreifer mit Kiyi nicht abschrekken läßt, müssen Sie bereit sein, sich aller Waffen zu bedienen, die Sie zur Verfügung haben, zum Beispiel Hände, Füße, Ellbogen, Schultern, Fingernägel. Fingernägel sind sehr wirksam. Wenn also welche unter Ihnen an den Nägeln kauen, hören Sie am besten sofort damit auf. Zu den Zielobjekten gehören die Augen, die Ohren und die Nase.« Dominic öffnete seine Faust zu einer Klaue, seine Finger
wie Krallen. »Mit Adlerklauen in die Augen«, sagte er

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