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Schau Dich Nicht Um

Titel: Schau Dich Nicht Um Kostenlos Bücher Online Lesen
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Sie fühlte sich stärker als seit Wochen, vielleicht seit Monaten. Zu allem fähig. Rundum gut. »Hohh!« lachte sie. Sie zog ihren Mantel fest um sich und machte sich auf den Weg zur Michigan Avenue.
    Wer sagte, daß sie warten mußte, bis Adam sie anrief? Dies waren die neunziger Jahre, Herrgott noch mal. Da saßen die Frauen nicht mehr bibbernd am Telefon und warteten auf den Anruf. Sie nahmen den Hörer zur Hand und wählten selbst. Außerdem war Samstag, sie hatte für den Abend keine Pläne, und Adam würde es wahrscheinlich mit Vergnügen sehen, daß sie die Initiative ergriff. »Hohh!« sagte sie lauter als beabsichtigt und fing den nervösen Blick einer vorüberkommenden Frau auf, die sofort ihren Schritt beschleunigte.
    Ganz recht, Lady, sagte Jess im stillen zu ihr. Dein Instinkt meldet dir Gefahr, mach dich lieber schleunigst aus dem Staub. » Hohh! « sagte sie wieder, sang es beinahe, als sie sich dem Schaufenster des Schuhgeschäfts näherte und hineinspähte.

    »Ist Adam Stohn heute da?« fragte sie den Verkäufer mit dem schlecht sitzenden Toupet, der auf sie zukam, sobald sie durch die Tür trat.
    Der Mann kniff die Augen zusammen, daß sie ganz schmal wurden. Erinnerte er sich ihrer von ihrem letzten Zusammentreffen?
    »Er bedient gerade.« Mit dem Kinn wies er zum rückwärtigen Teil des Ladens.
    Adam stand neben einer jungen Frau. Er hatte die Hände voller Schuhe, sie strahlte. Jess näherte sich unauffällig; sie wollte ihn nicht mitten in einem Verkaufsgespräch stören.
    »So, von diesen Schuhen gefällt Ihnen also keiner. Hm, lassen Sie mich mal überlegen. Kann ich Sie statt dessen mit einem Glas Wasser beglücken?« sagte Adam.
    Die junge Frau lachte. Das lange blonde Haar flog, als sie den Kopf schüttelte.
    »Vielleicht mit einem Bonbon?«
    Jess sah, wie Adam in seine Jackentasche griff und ein in rot-weiß gestreiftes Papier eingewickeltes Bonbon herauszog. Sie beobachtete, wie die junge Frau es musterte, ehe sie das Angebot ablehnte.
    »Und wie wär’s mit einem Witz? Sie scheinen mir eine Frau mit Humor zu sein.«
    Jess schossen die Tränen in die Augen. Rasch wandte sie sich ab, sie wollte nicht bis zur Pointe bleiben. Der Witz ging ja auf ihre Kosten.
    »Haben Sie ihn gefunden?« fragte der Verkäufer mit dem schlecht sitzenden Toupet, als sie wieder nach vorn kam.
    »Ich spreche lieber später mit ihm. Vielen Dank«, antwortete Jess und fragte sich, wofür sie ihm eigentlich dankte. Frauen waren mit ihrem Dank immer so schnell bei der Hand. »Entschuldigen Sie«, sagte sie und trat zur Seite, um die hereinkommende Frau vorbeizulassen, die sich ebenfalls entschuldigte. Und wofür entschuldigen wir uns eigentlich dauernd?

    Ach verdammt, dachte sie, beschämt und verwirrt, welcher Teufel hat mich geritten, hierherzukommen? Hatte sie ernstlich geglaubt, nur weil sie sich gerade gut fühlte und dieses Gefühl mit jemandem teilen wollte, werde Adam Stohn sich mit Freuden für diese Rolle zur Verfügung stellen? Was ging es ihn an, wenn sie sich zu allem fähig fühlte? Was ging es ihn an, wenn sie gelernt hatte, aus ihrer Faust eine Adlerklaue zu machen? Was interessierte es ihn, ob sie einen Hammerschlag auf die Nase austeilen konnte? Was interessierte ihn Kiyi ? Er war daran interessiert, Schuhe zu verkaufen, sich seine Provision zu verdienen. Wieso hatte sie geglaubt, sie sei für ihn etwas anderes als all die übrigen Frauen, denen er Tag für Tag die Füße tätschelte? Und weshalb war sie so enttäuscht?
    »Hohh!« sagte sie, als sie allein draußen vor dem Laden stand. Aber sie war nicht mit dem Herzen dabei, und das Wort fiel auf den Bürgersteig, um von den Füßen der Vorüberkommenden zertrampelt zu werden.
     
    »Hallo, schöne Fremde«, sagte Don, und selbst am Telefon war seine Stimme eine Oase. »Das ist aber mal eine nette Überraschung. Ich hab schon angefangen zu glauben, du wärst mir immer noch böse.«
    »Warum sollte ich dir böse sein?« Jess zog die Tür der öffentlichen Telefonzelle zu.
    »Das möchte ich ja eben von dir wissen. Ich weiß nur, daß du seit unserer kleinen Meinungsverschiedenheit auf der Polizei kaum zwei Worte mit mir gesprochen hast.«
    »Aber natürlich hab ich das.«
    »Na schön, zwei Worte vielleicht, aber beide lauteten nein: einmal, als ich dich zum Thanksgiving einladen wollte, und das andere Mal, als ich mit dir essen gehen wollte.«
    »Womit wir schon beim Grund meines Anrufs wären«, versetzte Jess, froh, gleich einhaken zu

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