Scheherazade macht Geschichten
finden.
»Laß sie sprechen!« sagte eine.
»Ohne sie immer zu unterbrechen«, stimmte eine andere zu.
»Es wäre nur gerecht, wenn du sie ihre Geschichte genauso frei erzählen lassen würdest, wie du es bei Sindbad und Ali Baba getan hast!« meinte eine dritte.
»Ook ook ook!« fügte eine vierte hinzu.
Ozzie verdrehte resigniert die Augen in Richtung Stalagtiten. »DA BIN ICH SCHON SO GNÄDIG UND LASSE SIE ZUHÖREN, UND DANN DAS! WAS WOLLEN DIESE FRAUEN EIGENTLICH?«
Dem Schrei der Empörung nach zu schließen, der aus Hunderten von Kehlen drang, offensichtlich mehr als Ozzies herablassende Behandlung.
»UND WO GEHST DU HIN, SINDBAD?« fügte der Dschinn hinzu.
»Das ist mein Name«, kam es von dem ein wenig nervös wirkenden ehemaligen Lastenträger. Er hatte versucht, sich unbemerkt in einen der pechschwarzen und unzugänglichen Winkel der Höhle zurückzuziehen. Nun blieb er abrupt stehen. »Nun, ich könnte schwören, ich hätte ein ›Ook ook ook‹ gehört«, erklärte er.
»So?« hakte Ozzie nach. »UND DAS JAGT DIR GRÖSSERE FURCHT ALS MEIN FÜRCHTERLICHER ZORN EIN?«
»Du mußt verstehen«, meinte Sindbad, nachdem er schnell einen Blick über die versammelten weiblichen Zuhörer geworfen hatte. »Von einem rachelüsternen Dschinn getötet zu werden, ist eine Sache. Die Königin der Affen ist eine ganz andere.«
Ozzie ließ sich einen Moment Zeit, um sein Publikum zu mustern. »OFFENSICHTLICH GEHEN HIER EIN PAAR DINGE VOR SICH, DIE SOGAR EIN NAHEZU ALLWISSENDER DSCHINN WIE ICH NICHT GANZ VERSTEHT. DARAUS KÖNNTE ICH SICHERLICH EINE LEHRE IN SACHEN DEMUT ZIEHEN, WENN ICH SO ETWAS WIE DEMUT ÜBERHAUPT KENNEN WÜRDE, WAS ICH NATÜRLICH NICHT TUE. ALSO, WAS SOLL ES SEIN? TOD FÜR ALLE BETROFFENEN ODER DAS ENDE DER GESCHICHTE?«
Darauf hatten alle sehr schnell eine Antwort parat. Doch bevor Scheherazade mit ihrer Geschichte fortfuhr, hatte sie noch eine Bitte an den mächtigen Ozzie:
»O furchterregender Dschinn «, begann sie, »ich bin sicher, jemand, der so allwissend ist wie du, erkennt mit einem Blick, wann ein Publikum trotz all der Magie, die du wirken läßt, ein wenig ermüdet. So bitte ich dich also um die Gunst, uns erfrischen zu dürfen. Du wirst sehen, welch einen Unterschied das macht! Es lohnt jede kleine Unannehmlichkeit, die du deswegen vielleicht erdulden mußt. Mein Publikum wird mir mit neuer Aufmerksamkeit zuhören, und die Worte, die über meine Lippen kommen, werden noch klarer und wundervoller sein als zuvor.«
»DASHÖRT SICH VIELVERSPRECHEND AN«, meinte Ozzie. »NUN GUT, ABGEMACHT!«
Achmed wandte sich kurz an Marjanah und sprach mit ihr, dann sah er zu dem Dschinn hinauf, richtete seine Worte aber an einen seiner Gefährten: »Sag, Harun al Raschid! Während wir uns ausruhen, könntest du vielleicht eine deiner Geschichten erzählen.«
»Wirklich?« erwiderte der schon etwas angegraute Geschichtenerzähler und sprang sofort auf die Füße. »Mal sehen. Ich kenne da eine sehr schöne. Wie wäre es mit der ›Geschichte vom Papagei, der Kröte und dem Pups, den man bis nach China hörte‹?«
»ANDERERSEITS...«, wollte Ozzie einwenden.
»Ich bin sicher, es ist eine ganz ausgezeichnete Geschichte«, unterbrach Achmed ihn schnell und wandte sich an Harun, »aber ich dachte da eher an eine Geschichte, die den Vorstellungen unseres hochgeschätzten Gastgebers mehr entspricht. Sicher kennst du auch eine, in der ein gerissener Dschinn mit Hilfe seiner magischen Kräfte über solch bedauernswerte sterbliche Geschöpfe wie uns triumphiert?«
»Aber sicher doch!« erwiderte Harun al Raschid begeistert.
»NUN«, meinte Ozzie ein wenig zögerlich, »ICH SCHÄTZE, DAS WÄRE IN ORDNUNG.«
»Sehr gut«, sagte Harun fröhlich, denn er schien immer größeren Gefallen an seiner Aufgabe zu finden. »Ich werde beginnen mit der ›Geschichte vom großen Dschinn Oggog und der Wunderlampe, die er mit Darmwinden füllte‹.«
Und so trat Scheherazade für den Augenblick ab und überließ einem anderen Geschichtenerzähler die Bühne. Unauffällig begab sie sich zu Marjanah, Aladin und Ali Baba und bedeutete ihnen, ihr zu einer kleinen Quelle zu folgen, die am Rande der Höhle still vor sich hinblubberte und an der sie sich erfrischen konnten. Sie mußte sich beeilen, denn die Zeit drängte, und Scheherazade mußte den anderen soviel wie möglich über ihren Plan erzählen, damit alle wußten, was sie zu tun hatten.
Das 28. der 35 Kapitel,
in dem Scheherazade mehr als einmal in der
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