Scheherazade macht Geschichten
Klemme steckt, aber immer wieder gerettet wird.
Nur mit Mühe gelang es ihnen, Harun al Raschid zum Schweigen zu bringen, nachdem er sechs Geschichten über sechs Dschinns und ihre magischen Darmwinde erzählt hatte, von denen Ozzie zumindest die ersten vier lautstark genossen hatte. Als der alte Mann sich endlich wieder setzte, griff Scheherazade ihre Geschichte wieder auf:
DIE GESCHICHTE
VON SCHEHERAZADE AUF DEM MARKTPLATZ,
WO SIE DER ALTEN WEISEN UND DER RACHSÜCHTIGEN DSCHINNIN
SULIMA BEGEGNETE, UND DEM, WAS DANN GESCHAH
»Na, na«, meinte die Alte Weise beim Auftauchen der Dschinnin. »Müssen wir denn gar so dick auftragen?«
Sulimas häßliches Kichern brach augenblicklich ab. Verblüfft starrte sie die alte Frau an. »Wie kannst du es wagen, das Benehmen einer Dschinnin in Frage zu stellen?«
»Das ist kein Wagnis«, entgegnete die Alte Weise gelassen, »denn ich weiß, sobald du auch nur einen Fuß in diesen Alkoven setzt, den ich mein Heim nenne, wirst du augenblicklich an den Ort zurückversetzt, den du selbst gern Heim nennen würdest. Ich schätze... wuntvorebenezum... das dürfte der Palast sein.«
Als sie das hörte, mußte Sulima erneut lachen. »Welch kümmerliche Fähigkeiten besitzt du wohl, eine Dschinnin abzuwehren?« Sie trat einen Schritt näher. »Hoppla!«
Und damit war sie verschwunden.
»Nicht schlecht«, lobte Scheherazade.
»Deshalb nennen sie mich die Alte Weise«, stimmte ihr die alte Frau zu. »Nun, jetzt, da wir dir eine kleine Verschnaufpause verschafft haben, müssen wir die Zeit nutzen und dich auf die nächste Etappe deiner Reise schicken.«
»Ich bin auf einer Reise?« fragte Scheherazade, die sich bis zu diesem Moment über ihre Schritte nicht im klaren gewesen war.
»Das bist du, sofern du am Leben bleiben möchtest«, erwiderte die Alte Weise. »Und da du das... barbarahamb..., wie ich sehe, möchtest, mußt du die Alte Weise aufsuchen.«
»Aber...«, begann Scheherazade.
»Nein, ich spreche nicht von meiner Schwester im Palast, denn die hat dich ja zu mir gesandt, die ich fünfmal so weise bin wie sie. Ich spreche auch nicht von mir, die man manchmal auch die Andere Alte Weise nennt, denn du schwebst in einer so großen Gefahr, daß sogar mein ausgesprochen umfangreiches Wissen dich nicht retten kann. Ich muß dich zu einer dritten Alten Weisen schicken, die fünfmal so bewandert in allen bedeutenden Dingen ist wie ich. Sie ist als die Andere Alte Weise bekannt, die Weiseste aller Weisen.«
»Weiser noch als...«, versuchte Scheherazade hervorzubringen.
»Jede andere Frau? Aber sicher doch.« Die Alte Weise lachte kurz. »Und jeder andere Mann? Nun, das versteht sich von selbst!«
»Wo...«, setzte Scheherazade an.
»Du als nächstes hinreisen mußt? Es ist nicht weit, aber weiter, als du jemals zuvor gegangen bist. Ach, wir Alten Weisen lieben nun mal solche kleinen Wortspielchen. Hör mir genau zu! Geh zurück zu Hassan und frag ihn nach dem Teppich, der weite Wege zurücklegt. Verstehst du, was... aber natürlich verstehst du. Wenn er ihn dir gegeben hat, setz dich genau in seine Mitte und sage folgende Worte:
»Flieg, Teppich! Flieg, flieg, flieg! Und schon wird dich der Teppich dorthin bringen, wo du hin mußt.«
»Und wenn...«
»Du die Alte Weise erreicht hast? Fürchte dich nicht. Sie wird alle Antworten kennen, schon lange bevor du überhaupt ankommst.«
»Keine Ursache«, fügte die Alte noch hinzu, bevor Scheherazade ihr danken konnte. »Geh jetzt, und zwar schnell!«
Und so kam es, daß Scheherazade den Teppich, der als Vorhang diente, erneut zur Seite schob und in das Licht des Marktplatzes hinaustrat. Dort war Hassan in ein Gespräch mit zwei Soldaten des Königs vertieft. Scheherazade blieb wie angewurzelt stehen. Wieso hatte die Alte Weise sie nicht vor dieser Gefahr gewarnt?
»Wonach sucht ihr?« fragte Hassan gerade erstaunt. »Hier gibt es nur Teppiche.«
»Egal, wir haben Anweisung, alle Läden und Stände zu durchsuchen«, beharrte einer der Soldaten.
Scheherazade kämpfte gegen ihre aufsteigende Furcht an. Wenn es ihr gelang, ruhig zu bleiben, konnte sie sich möglicherweise hinter dem Teppich verstecken.
Genau in diesem Augenblick sah der zweite Soldat zu ihr hinüber. Doch er schlug nicht Alarm, und Scheherazade erkannte auch, wieso.
Es war jener Leibgardist, der die Tür zu den Gemächern des Königs bewacht hatte. Er lächelte sie für einen winzigen Augenblick an, dann wandte er sich an seinen
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