Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Scheherazade macht Geschichten

Titel: Scheherazade macht Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Shaw Gardner
Vom Netzwerk:
errichtet wurde er von niemand anderem als der Höhle selbst, in der er steht.«
    »Dann ist die Höhle, in der wir uns befinden, ein lebendes Wesen?« fragte Scheherazade erstaunt.
    »So könnte man sie nennen«, meinte Marjanah trocken. »Ganz sicher ist sie ein sprechendes Wesen. Sie nennt sich selbst Mordrag.«
    »Sehr erfreut, dich kennenzulernen«, erklang eine laute, tiefe und vibrierende Stimme hoch über ihnen. »Für eine neue Schönheit findet sich immer noch ein Plätzchen.«
    »Vielleicht sollte ich besser sagen, er nennt sich Mordrag«, fügte Marjanah hinzu, »denn klingt er nicht ganz wie ein Mann?«
    »Mordrag?« hakte Scheherazade nach und runzelte die Stirn. Sie sah zum Gewölbe über ihnen auf, konnte jedoch nichts Auffälliges entdecken. »Was will er von uns?«
    Marjanah zuckte die Achseln. »Offensichtlich will er uns einfach nur dabehalten. Man versorgt uns mit ausreichend Nahrung, und auch für angenehme Abwechslung ist gesorgt, aber dennoch sind wir Gefangene, die nicht entfliehenkönnen. Gelegentlich fordert er etwas Zerstreuung von uns, Tanzen zum Beispiel oder Geschichtenerzählen. Allerdings verlangt er weitaus weniger von uns als so manches andere männliche Wesen.«
    »Und das ist alles?« fragte Scheherazade verwundert. »Das Ganze scheint mir völlig unbegreiflich.«
    Marjanah blieb stehen, um sich zu der Geschichtenerzählerin umzudrehen. »Das ist es auch, Scheherazade, aber bedenke dies: Wer von uns kann wirklich sagen, was im Kopf eines Mannes vor sich geht?«
    Nun, stimmte ihr Scheherazade im stillen zu, das war sicherlich wahr. Laut fragte sie dann: »So bin also auch ich eine Gefangene?«
    »Nein«, antwortete Marjanah, bevor sie sich wieder umdrehte und weiter dem Pfad folgte, »ich glaube, du bist unsere Rettung.« Sie stieg die marmornen Treppenstufen hinauf, die mit leuchtenden Rubinen vom tiefsten Rot durchsetzt waren. »Die Alte Weise wird es viel besser als ich erklären können.«
    Sie schritten schweigend durch die riesige Vorhalle, die in den Palast selbst führte. In der Tat wäre Scheherazade um Worte verlegen gewesen, hätte sie beschreiben müssen, was sie sah: Im Vergleich zu den Ornamenten und Teppichen, mit denen dieser Palast ausgestattet war, wirkte Shahryars Palast wie eine armselige Hütte aus Lehm und Schmutz. Die Wände waren mit großen Tierabbildungen aus wertvollen Metallen und Edelsteinen geschmückt. Es gab zum Beispiel einen Tiger aus Gold und Onyx, eine auffliegende Taube aus Diamanten, und das Rad eines Pfaus schien aus Juwelen aller Farben und Formen gefertigt. Derselbe Reichtum machte sich in den Wandteppichen bemerkbar, in die Gold und Edelsteine eingewebt waren, ebenso wie in den Statuen, die jede Nische und jeden Winkel zierten, und sogar in den großen Kandelabern, die den Saal erleuchteten.
    »Mordrag scheut keine Ausgaben«, meinte Marjanah schließlich. »Um ehrlich zu sein, er scheint einen Hang zur Übertreibung zu haben.«
    Dem konnte Scheherazade nur zustimmen. Ihre Umgebung glitzerte und funkelte, daß sie Kopfschmerzen bekam. Nun, wenn man nur lange genug hier eingesperrt war, so mutmaßte sie, würde man sich wohl an den strahlenden Glanz gewöhnen. Sie dachte an die Worte ihrer Begleiterin, daß alle Frauen hier Gefangene waren, und Bitterkeit überkam sie. Mußte eine Frau denn stets und überall eine Gefangene sein?
    Während sie durch die Halle schritten, kamen sie an einigen Durchgängen zu anderen Räumen vorbei, die alle mit reich verziertem Mobiliar und opulenter Dekoration ausgestattet waren. Aus jedem dieser Räume starrten ihnen Frauen entgegen und grüßten Scheherazade freundlich.
    »Alle wissen also von meiner Ankunft?« fragte die Geschichtenerzählerin.
    »Wenn man in einem Palast gefangen ist, der selbst wiederum in einer Höhle verborgen liegt«, lautete Marjanahs Antwort, »dann ist die Ankunft einer weiteren Frau in der Tat eine aufregende Neuigkeit, die sich schnell herumspricht.«
    »Wie viele Frauen gibt es hier wohl?«
    »Hunderte, wenn nicht mehr. Der Palast ist so groß, daß es nahezu unmöglich wäre, alle zu zählen. Und natürlich kommen immer wieder neue hinzu, wann immer Mordrags Handlanger Nachschub liefern.«
    »Dann kommen nicht alle per Teppich an?«
    »Nein, die meisten treffen wie ich hier ein, entführt von Räubern, die dafür... ich weiß nicht was erhalten.« Marjanah hielt inne und runzelte die Stirn. »Nun, was immer diese Räuber antreibt, es muß etwas Großes sein, wenn man sieht, mit

Weitere Kostenlose Bücher