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Scheherazade macht Geschichten

Titel: Scheherazade macht Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Shaw Gardner
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außergewöhnlich hohen Ansprüchen genügen sollte, behalte ich mir dennoch das Recht vor, den Teil des Händlers zu bestimmen, der das letzte Drittel Blut verlieren soll.‹
    Woraufhin der Händler nicht wußte, ob er erleichtert oder lieber doppelt besorgt sein sollte. Es blieb ihm jedoch vorerst gar nichts anderes übrig, als der Geschichte des zweiten Scheichs zuzuhören:
     
    DIE GESCHICHTE
    DES ZWEITEN SCHEICHS
     
    So wisse denn, o magischstes aller mystischen Geschöpfe, daß diese beiden Hunde hier meine Brüder sind. Doch wie kam es zu dieser Verwandlung?
    Vor vielen, vielen Jahren, als unser Vater starb, da hinterließ er seinen Söhnen genug an Geld und Besitz, daß jeder einen eigenen Krämerladen eröffnen konnte. Und einige Monate lang ging auch alles gut, bis einer meiner Brüder zu einer Reise aufbrach, um seine weltlichen Güter noch zu vermehren. Und so verließ er also unsere Heimatstadt und reiste ein Jahr und einen Tag durch die Welt, doch als er zurückkehrte, da gestand er mir, daß großes Unglück ihm widerfahren wäre. All seine Waren hätte er verloren, und er wäre völlig verarmt.
    Nun, wie es das Schicksal wollte, geschah dies zu einer Zeit des Jahres, da ich gerade meine Bücher prüfte, und als ich alle Schulden und offenen Rechnungen gegeneinander aufgerechnet hatte, stellte ich erfreut fest, daß ich einen Gewinn von tausend Dinaren gemacht hatte. Nun, diesen Gewinn teilte ich mit meinem Bruder, so daß auch er im Geschäft bleiben konnte.
    Und so kam es also, daß wir alle drei die merkantilen Künste eine Zeitlang erfolgreich betrieben. Doch auch wenn es manchmal recht einträglich ist, ein Händler zu sein, so ist es selten aufregend. Daher hielten meine Brüder eines Tages die Zeit für gekommen, erneut zu einer Reise aufzubrechen, um Handel zu treiben und Neues zu entdecken.
    Zuerst widerstand ich der Versuchung, denn hatte die ein Jahr und einen Tag dauernde Reise meines Bruders sich nicht als völliger Fehlschlag erwiesen? Und als ich sie an diese Tatsache erinnerte, verloren meine Brüder auch tatsächlich etwas von ihrer Begeisterung. Ein paar Monate später jedoch, in denen wir nichts anderes taten, als getrocknete Bohnen und ganze Bahnen von Stoff feilzuhalten, hatten sie ihre Bedenken wieder verloren. Was meine eigenen Beweggründe betraf, nun, um ehrlich zu sein, fiel auch mir langsam die Decke meines Ladens auf den Kopf. Und so kam es also, daß ich trotz der schlechten Erfahrung meines Bruders und trotz allen besseren Wissens, wie solche Geschichten bei den Geschichtenerzählern immer auszugehen pflegten, zustimmte, meine Geschwister auf ihrer Reise zu begleiten.
    Ich bestand allerdings darauf, daß wir eine Vorsichtsmaßnahme ergriffen, bevor wir aufbrachen. Und diese Vorsichtsmaßnahme bestand darin, daß wir alle drei unser weltliches Hab und Gut verkauften, das Geld in einen Topf werfen und die Hälfte der Summe an einem geheimen Ort vergraben sollten für den Fall, daß unsere gemeinsame Reise ebenso schlecht verlaufen würde wie die meines Bruders in der Vergangenheit. Nach einigem Zögern stimmten meine Brüder diesem Plan zu, und mit dem Geld, das uns übrigblieb, heuerten wir ein stolzes Schiff und beluden es mit den unterschiedlichsten Waren.
    Schließlich stachen wir in See, und am Anfang unserer Reise verbuchten wir einen Erfolg nach dem anderen. Wir kauften und verkauften, handelten und tauschten, bis sich der Wert unseres Warenbestandes verzehnfacht hatte.
    Doch wie es in solchen Geschichten immer der Fall ist, wurden die Ereignisse an diesem Punkt unserer Reise seltsamer als seltsam. Denn als wir aus der Stadt in den Hafen zurückkehrten, da näherte sich mir eine Frau, die in Lumpen gekleidet war und mit einer Stimme zu mir sprach, die vor Schmerz und Trauer ganz brüchig war. Und diese Frau sagte zu mir: ›Seid gnädig, o Herr, und erlöst mich von meiner Not!‹
    Die Kühnheit dieser Frau versetzte mich in Erstaunen, ganz zu schweigen von dem unglaublichen Elend ihrer ganzen Erscheinung. Also sprach ich zu ihr: ›Ich habe in letzter Zeit viel Glück gehabt. Was kann ich für dich tun?‹
    ›Ihr müßt mich von meiner Armut erlösen!‹ lautete die Antwort, während sie sich mit ihren schmutzigen Fingern und abgebrochenen Fingernägeln in den Ärmel meines Gewandes krallte. Sie reckte mir das Gesicht entgegen, und obwohl es hinter einem Schleier verborgen war, roch ich ihren fauligen Atem, der nach Fischen stank, die zu lange in der Sonne gelegen

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