Scheherazade macht Geschichten
ebenso, wie der Dschinn es war.
›Diese Schwägerin von dir‹, fragte der Dschinn , ›die heißt nicht zufällig Eunice?‹
›Bei Allah, das ist in der Tat ihr Name!‹ rief der zweite Scheich verwundert.
›Dann sind wir beide also verwandt – nun, natürlich nur durch Heirat, aber immerhin, wir gehören zu einer Familie!‹ verkündete der Dschinn . ›Ganz sicher werde ich dir ein Drittel des Blutes dieses Mannes schenken.‹ Der Dschinn hielt erneut inne, um sein Schwert zu erheben. ›Nun werdet Ihr mich sicher entschuldigen, damit ich mir das letzte Drittel, das mir noch zusteht, von diesem Händler nehme. Und ich gedenke, es mir aus dem Teil seines Körpers zu nehmen, der unterhalb seiner Brust und oberhalb seiner Knie liegt.‹
So sah sich der Händler also erneut seinem grausamen Schicksal gegenüber, als plötzlich der dritte Scheich vortrat, sein Maultier hinter sich herzog und sich zwischen den Händler und das Schwert des Dschinns stellte.
›Oh‹, meinte der Dschinn , bevor der dritte Scheich auch nur ein Wort hervorgebracht hatte. ›Ganz ohne Zweifel hätte ich dies vorausahnen müssen.‹
›Ich bitte dich, o edelste aller ausgesprochen großen und außergewöhnlich fürchterlichen Kreaturen‹, begann der dritte Scheich, ›du hast den Geschichten meiner Gefährten gelauscht. Kannst du mir da nicht ebenfalls diese Gunst erweisen? Und außerdem hast du jedem von ihnen ein Drittel des Blutes dieses Mannes geschenkt, weil ihre Erzählungen dich mit Erstaunen erfüllten. Ist es da nicht gerecht, wenn du mir dasselbe zugestehst?‹
›Nun, ich nehme an, das ist es‹, entgegnete der Dschinn mit einer Stimme, die eher mürrisch klang als gnädig. ›Und ich muß gestehen, wenn auch nur widerwillig, daß mir diese Geschichten Spaß zu machen beginnen. Jetzt, da ich nicht mehr meinen Sprößling, die Frucht meiner Lenden, das Blut meines Blutes, um die Füße habe, wird mir klar, daß ich etwas öfter ausgehen muß. Wenn man so lange in einem tiefen Abgrund lebt wie ich, kommt man sich leicht ein wenig eingekerkert vor!‹
›Nun denn‹, erwiderte der dritte Scheich. ›Dann will ich also meine Geschichte erzählen, die so voller aufsehenerregender, nie dagewesener und erstaunlicher Ereignisse steckt, daß die Geschichten meiner geschätzten Vorgänger dagegen verblassen werden wie das Licht einer Öllampe in der strahlenden Sonne.
DIE GESCHICHTE
DES DRITTEN SCHEICHS
So höre denn, o ehrenwerter Dschinn , der eine Geschichte der Spitzenklasse zu erkennen weiß, wenn er sie erzählt bekommt, daß diese Mauleselin, die du hier vor dir siehst, einst meine Frau war. Und das kam so: Einst mußte ich für längere Zeit verreisen, und als ich nach Hause zurückkehrte, da fand ich meine Frau in den Armen eines anderen Mannes. Eine ganz gewöhnliche Geschichte, werdet ihr jetzt vielleicht sagen. Doch ach, was dann geschah, war alles andere als gewöhnlich!
Meine Frau sprang von ihrem Diwan auf und ergriff einen Krug voller Wasser. Dieses Wasser schüttete sie mir ins Gesicht, und nachdem sie ein paar unverständliche Sätze in einer seltsamen Sprache gemurmelt hatte, endete sie mit diesen Worten: ›Kraft meiner Magie, du sollst dich in einen Hund verwandeln!‹
Und somit begann mein Unglück. Nicht nur, daß ich ganz durchnäßt war, ich wurde auch noch in einen Hund verwandelt!
›Was ist das?‹ rief meine Frau daraufhin wutentbrannt. ›Wer hat diesen Hund in den Palast gelassen? Niemals würde mein Ehemann so etwas dulden! Raus! Raus hier, auf der Stelle!‹ Und sie öffnete die Tür, versetzte mir mit der Spitze ihres Schuhs einen kräftigen Tritt und jagte mich aus den Gemächern. Bevor die Tür sich hinter dem verwirrten, beklagenswerten Wesen, zu dem ich soeben geworden war, schloß, hörte ich meine Frau noch sagen: ›Komm, Hassan. Wir werden nicht noch einmal von lästigen Kötern gestört werden. Du kannst dich nun in aller Ruhe mit mir über die heilsame Wirkung, die von liebevollem Knabbern an Ohrläppchen ausgeht, unterhalten.‹ Sie stieß noch ein vergnügtes Quieken aus, dann fiel die Tür ins Schloß, und ich konnte nichts mehr hören.
Was sollte ich tun in meinem traurigen, um nicht zu sagen hundeelenden Zustand? Ganz sicher konnte ich keinerlei Gnadenbrot von der Frau erwarten, für die ich bisher immer alles getan hatte! Also schlich ich mich zu einem benachbarten Fleischerladen, denn auch als Hund mußte ich etwas essen.
Ich näherte mich dem Fleischer nur sehr
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