Scheherazade macht Geschichten
haben.
›Wie soll ich das tun‹, fragte ich sie voller Mitgefühl, ›ich, der ich doch nur ein einfacher Reisender bin, der von einer Insel zur nächsten segelt?‹
Die Antwort, die sie mir gab, nachdem sie ein trockenes Husten ausgestoßen und einen großen Brocken gelblichen Schleims ausgespuckt hatte, war einfach: ›Dann nimm mich zur Frau, damit ich mit dir segeln kann.‹
Sie zur Frau nehmen? Nachdem sich meine erste Überraschung gelegt und ich ein wenig nachgedacht hatte, sagte mir dieser Vorschlag durchaus zu, denn wenn man sich wie ich den ganzen Tag um seinen Laden kümmern muß, hat man wenig Gelegenheit, auszugehen und eine anständige Frau zu treffen. Außerdem konnte ich trotz der durch die Krankheit bedingten Ausgezehrtheit ihres Körpers unter all dem Schmutz und den verrotteten Kleidern die Kurven einer Frau entdecken, die durchaus ihren Reiz hatten. Ja, so gelingt es einem Händler oft, selbst dort ein Schnäppchen zu machen, wo der einfache Mann keines vermuten würde. Und so kam es also, daß ich ihrem Vorschlag zustimmte – zu ihrer Verzückung und zum Erstaunen meiner beiden Brüder.
In aller Eile vollzogen wir die Hochzeitsfeierlichkeiten und stachen bald darauf wieder in See. Ich bat meine Frau, sich mit dem Regenwasser zu waschen, das in ausreichenden Mengen an Bord vorhanden war. Außerdem fügte ich hinzu, daß sie sich in jedes der kostbaren Gewänder aus meinen Beständen kleiden könne, das ihren Gefallen fand. Und so tauchte sie dann etwas später wieder auf, ordentlich gewaschen und gekleidet. Jeder konnte sehen, daß sie in der Tat eine Frau von anmutiger Gestalt war – zumindest, soweit man das bei Frauen überhaupt unter all den vielen Kleidern und Schleiern feststellen kann, in die sie sich hüllen. Und meine Brüder verspotteten mich nicht länger ob meiner vermeintlichen Torheit, sondern wurden gelb vor Neid und Eifersucht angesichts meines großen Glücks.
Wer kann schon sagen, warum meine Brüder solche Gefühle entwickelten? Vielleicht war es das Werk des Scheitans. Oder war es vielleicht das unbeschwerte Liebesgeplänkel zwischen mir und meiner Frau, das sich immer dann abspielte, wenn meine wunderschöne Braut auf dem Deck erschien, sich zu mir gesellte, und rief:
Heh da, junger Mann,
Schau mich nicht so an!
Greif doch lieber feste zu,
Schmusi, schmusi, schmuh!
Obwohl es mir ehrlich schwerfällt, mir vorzustellen, wie jemand an solch zauberhaften Reimen Anstoß nehmen kann.
Ich vermute eher, daß meine Brüder verärgert darüber waren, daß meine Sachen auf einmal immer glänzten und es einem fast so vorkam, als hätte ich zweimal soviel Gold wie sie. Oder aber sie waren aufgebracht über den seltsamen Umstand, daß – egal, wie schlecht das Wetter auch sein mochte – in dem Moment, in dem ich und meine Frau das Deck betraten, jeder Regen aufhörte, der Sturm sich legte, die Wolken sich verzogen und Strahlen güldenen Sonnenlichts sich über uns beide ergossen. Selbst ich muß zugeben, daß dieses letzte Phänomen mit dem Sonnenlicht mir ein wenig sonderbar erschien, vor allem, wenn es sich zu besonders ungewöhnlichen Zeiten einstellte – wie zum Beispiel mitten in der Nacht.
Was auch immer die Gründe für den Unwillen und den Neid meiner Brüder gewesen sein mochten, sowohl ich als auch meine Frau bemerkten nichts davon. Wir waren viel zu sehr mit uns selbst beschäftigt. Und so geschah es, daß ich mich eines Tages, nachdem der Regen wieder einmal ganz plötzlich aufgehört und die Sonne ebenso unerwartet erschienen war, zu meiner überaus schönen Frau umdrehte und sie mir über das Deck des Schiffes zurief:
›Heh da, junger Mann,
Schmeiß dich an mich ran!
Laß uns doch nach unten geh'n
Und nachseh'n, wie die... Dinge steh'n!‹
Gewiß werdet ihr jetzt sagen, daß dies nicht eben ein besonders sittsames Verhalten war. Vielleicht hätte ich bemerken müssen, wie meine Brüder mich und meine Frau anstarrten. Und wahrscheinlich hätte ich auch ihrem unverständlichen Gemurmel mehr Beachtung schenken müssen. Aber ich hatte nur Augen für die Schönheit meiner Frau und Ohren für ihr Liebeslied, als sie fortfuhr:
›Heh da, Handelsmann,
Biet mir doch mal etwas an.
Ich bezahl dich mit Behagen,
beim Betasten meiner Auslagen.‹
Sie hob ihre Hände über den Kopf, und die Armbänder, die sie um ihren Handgelenke trug, glitzerten im Sonnenlicht. Obwohl dieser Schmuck nicht mehr als bloßer Tand gewesen war, als ich ihn
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