Scheherazade macht Geschichten
deutlich Zweifel anzuhören. »ABER BEHALTE IM GEDÄCHTNIS, DASS ES EHER DUMM WÄRE, ZU VERSUCHEN, EINEN DSCHINN HEREINZULEGEN!«
»Ihr müßt euch alle vor der Macht seiner Magie in acht nehmen!« stimmte ihm die Flasche zu, in der die sterblichen – das heißt, eigentlich die unsterblichen Überreste von Kassim, Ali Babas Bruder, ruhten, einem Mann mit dunkler Vergangenheit, der, obwohl er in sechs mal sechs Teile zerhackt worden war, noch immer zu sprechen vermochte, weil ein unseliger Fluch auf ihm lastete. Inzwischen waren jedoch schon einige Tage seit seinem bedauerlichen ›Unfall‹ vergangen, und es war ratsam, sich nur noch im Windschatten der Flasche aufzuhalten.
»SCHWEIG!« befahl Ozzie. »ODER ICH WERDE DICH IN DER GANZEN HÖHLE VERSTREUEN!« Der Dschinn hielt inne, um herzhaft über seine Bösartigkeit zu lachen.
»Nun gut«, war alles, was Scheherazade dazu zu sagen hatte, denn sie hatte folgendes beschlossen: Wenn sie den Dschinn hereinzulegen versuchte, dann würde sie sich dabei sicher alles andere als dumm anstellen.
Daher fuhr sie mit ihrer Geschichte fort:
WIR KEHREN ZU SCHEHERAZADES GESCHICHTE
INNERHALB EINER UNMENGE ANDERER
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Sindbad, dessen Name also noch ganze Generationen durchlief und Menschen aller gesellschaftlichen Schichten verliehen wurde, war ein großer Freund sportlicher Betätigungen. Sein Lieblingssport war das Jagen, und am liebsten jagte er mit seinem Falken. An jenem bestimmten Tag, von dem ich erzählen will, kam also sein oberster Falkner zu ihm, verbeugte sich demütig und teilte ihm mit, daß sowohl das Wetter als auch alle anderen Bedingungen ideal für die Jagd seien.
Das zu hören freute den König sehr, und er traf schnell alle nötigen Vorbereitungen. Zusammen mit seinem Falken und einer großen Jagdgesellschaft erreichte der König schließlich ein Tal, das ihm geeignet für sein Vorhaben schien. Also gab er Anweisung, die Fangnetze auszubreiten. Und mit der wilden Panik erschreckter Tiere ging ihnen auch bald eine Gazelle ins Netz.
›Den Mann, der dieses Tier entkommen läßt, werde ich eigenhändig umbringen!‹ rief der König im Jagdfieber. Also zogen die Treiber äußerst vorsichtig an den Netzen, so daß die Gazelle auf den König zugetrieben wurde. Eingekesselt stellte das Tier sich auf die Hinterbeine, und für einen Moment sah es so aus, als wolle es dem König salutieren.
Verzückt klatschte Sindbad angesichts dieser Darbietung in die Hände, doch dieses Geräusch erschreckte die Gazelle, und mit einem Satz sprang sie über die Netze, knapp an der Schulter des Königs vorbei.
Sindbad konnte nicht umhin, in der Folge dieses außergewöhnlichen Ereignisses festzustellen, daß seine Untergebenen sich ausgiebig zuzwinkerten, angrinsten und mit den Ellbogen in die Rippen stießen. Er wandte sich an den Großwesir und fragte ihn, was denn dies wohl zu bedeuten hätte.
›Ich bitte vielmals um Vergebung, o Licht dieses Königreiches‹, lautete die wohlüberlegte Antwort des Wesirs, ›aber ich fürchte, Eure Untergebenen erinnern sich an Euer eben gemachtes Versprechen, denjenigen, der diese Gazelle entkommen ließe, eigenhändig umzubringen.‹
Dies schien den König ein ganz klein wenig aus der Fassung zu bringen. ›So etwas soll ich gesagt haben? Nun, ich nehme an, daß ich...‹, er hielt inne, um nachzudenken. Die Gazelle war ohne Zweifel direkt an ihm vorbeigesprungen, nicht wahr? Und er hätte das Tier ganz sicher aufhalten können, wenn er nicht so überrascht gewesen wäre. Gewiß würde er das auch seinem Gefolge klarmachen können, oder?
›Nun‹, fuhr er etwas zögerlich fort, ›dem Erlaß eines Königs muß zweifelsfrei Folge geleistet werden, nicht wahr? Außer natürlich... Habe ich wirklich etwas von ›umbringen‹ gesagt?‹ Der mächtige Herrscher räusperte sich kräftig. ›Hurtig, o treues Gefolge! Wir dürfen die Gazelle nicht entkommen lassen!‹
Und so trieben Sindbad und alle seine Jäger ihre Pferde zu größerer Eile an, bis sie wieder zu der Gazelle aufgeschlossen hatten. Der Falke des Königs war ihnen die ganze Zeit über mit lautem Kreischen vorangeflogen (der Vogel schrie so oft, daß Sindbad manchmal glaubte, er könne reden), und jetzt stürzte er sich auf die Gazelle und schlug ihr mit dem spitzen Schnabel auf die Stirn, so daß sie blind und verwirrt wurde. Der König hob sein Zepter und fällte das Tier mit einem einzigen Schlag. Daraufhin wurde die tote Gazelle fachgerecht
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