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Scheherazade macht Geschichten

Titel: Scheherazade macht Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Shaw Gardner
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verlorengegangen.«
    Die Geschichtenerzählerin folgte dem trittsicheren Omar die Treppe hinunter. Auf dieser niedriger gelegenen Ebene durchquerten sie dann tatsächlich mehrere Zimmer, von denen einige sehr klein, andere aber so groß waren wie Scheherazades eigene Gemächer im Harem. Noch erstaunlicher war allerdings, daß sich Menschen in diesen Räumen aufhielten, die den beiden Flüchtlingen freundlich zuwinkten und Omar wie einen alten Bekannten grüßten, während sie sich vor der Königin verbeugten. Außerdem überraschte es Scheherazade, daß die meisten dieser Menschen Frauen und Kinder waren.
    »Wer sind diese Leute?« fragte sie Omar daher, ohne stehenzubleiben.
    »Meist Flüchtlinge aus dem Palast. Frauen, die Ehefrauen oder Geliebte des Königs geworden wären und damit Opfer seiner exzentrischen Angewohnheiten und seines Schwertes. In der Stadt gibt es nur wenige sichere Orte, an denen man untertauchen kann. Der beste Ort, sich zu verstecken, ist der, an dem nicht nach einem gesucht wird. Daher gibt es also keinen geeigneteren Ort für Flüchtlinge aus dem Palast als der Palast selbst.«
    »Aber sie sehen gutgenährt, ja sogar glücklich aus«, meinte Scheherazade, als sie in einem der angrenzenden Korridore das Lachen eines Kindes aufschallen hörte.
    »Nun, ich brauche eine riesige Menge Essen, um meine stattliche Gestalt beizubehalten«, erklärte Omar mit einem Anflug von Stolz in der Stimme. »Und manchmal nehme ich mir mehr, als ich zum Überleben brauche, und bringe es hier herunter. Andere schicken etwas aus der Palastküche hierher. Die Anzahl der Palastbewohner ist in letzter Zeit derart stark gesunken, daß es viel überflüssiges Essen gibt. Und außerdem gibt es hier unten noch Geheimgärten und Geheimviehställe.«
    »Und sie brauchen nicht das Schwert meines Mannes zu fürchten?« fragte Scheherazade mit einem Lächeln. »Oder den Zorn der Sultana? Ach, Omar, das hört sich nach einem wahren Paradies an. Werde ich auch hierbleiben können?«
    Omar runzelte die Stirn. »Für kurze Zeit vielleicht, obwohl ich Euch natürlich gerne für immer in meiner Nähe hätte – wenn Ihr mir meine Kühnheit verzeihen wollt. Eure Freiheit ist allerdings wichtiger als irgendeine meiner Launen. Denn wie heißt es schon in jenem berühmten Gedicht:
     
    Heiß spür' ich das Verlangen,
    Es brutzelt wie Kebab.
    Läßt meinen Spieß du hangen,
    Dann kühl ich ganz schnell ab.
     
    Omars nicht nur sprachlich unreiner Reim wurde von einem tiefen Seufzer begleitet.
    »Nur für kurze Zeit?« fragte Scheherazade, obwohl sie zugeben mußte, daß ihr Bedauern über diesen Umstand nicht so groß war, wenn sie bedachte, daß sie damit auch Omars Gedichten entfliehen konnte.
    »Ich fürchte, ja. Viele Leute kommen aus dem offiziellen Palast in diesen weniger offiziellen hier, und wir könnten niemals sicher sein, daß alle Stillschweigen bewahren würden, besonders nicht, wenn ein Preis auf Euren Kopf ausgesetzt wird. Eure Gefangennahme und Euer Tod sind für manche von so großer Bedeutung, daß das Geheimnis dieses Ortes hier verletzt werden könnte.«
    Das klang bedauerlicherweise nur allzu einleuchtend. Scheherazade spürte die Unruhe in sich zurückkehren. »Was soll ich also tun?« fragte sie daher. »Wohin soll ich gehen?«
    »Das kann ich Euch auch nicht sagen«, erwiderte Omar, »aber ich weiß, wen wir fragen können.«

Das 25. der 35 Kapitel,
    in dem weise Worte Scheherazade den
    Weg aus dem Palast weisen.
     
    »Wir müssen jetzt hier lang«, teilte Omar seiner Königin mit, obwohl es so aussah, als hätte der dicke Eunuch sie in eine Sackgasse geführt.
    Er drehte sich dreimal um die eigene Achse, hüpfte einmal auf dem linken Bein, stieß einen schrillen Pfiff aus und winkte mit seiner rechten Hand. Eine Falltür öffnete sich in der Decke, und eine Strickleiter fiel herunter.
    »So öffnet man diese Geheimgänge eben«, erklärte Omar, obwohl Scheherazade gar keine Frage gestellt hatte. »Warum, das ist im Dunkel der Zeit verlorengegangen. »Oh«, fügte er hinzu, »wir suchen übrigens die Alte Weise auf.«
    »Die Alte Weise?« fragte Scheherazade, denn sie hatte nie zuvor von einer solchen Person gehört.
    »In Geschichten wie diesen hier gibt es immer eine alte weise Frau«, erklärte Omar. Er erklomm die Leiter mit einer Geschicklichkeit, die Scheherazade erstaunt hätte, wenn sie nicht schon früher Zeuge seiner Behendigkeit geworden wäre. Schnell stieg sie hinter ihm her.
    Kurz darauf

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