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Scheintot

Scheintot

Titel: Scheintot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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jedenfalls mit ihrer Geduld am Ende, dachte sie. Nun macht schon, Leute, kommt in die Gänge!
    Plötzlich spürte sie ein Kribbeln auf der Bauchhaut, und sie merkte, wie ihre Gebärmutter sich zusammenzog. Die Muskeln spannten sich leicht an, blieben einen Moment lang so und lockerten sich dann wieder. Endlich – die erste Wehe.
    Sie sah auf die Uhr an der Wand. Genau elf Uhr fünfzig.

6
    Gegen Mittag war das Thermometer schon auf weit über dreißig Grad geklettert; die Gehsteige verwandelten sich in heiße Backbleche, und eine schweflige Dunstglocke hing über der sommerlichen Stadt. Von den Reportern, die auf dem Parkplatz vor dem Rechtsmedizinischen Institut auf der Lauer gelegen hatten, war nichts mehr zu sehen; Maura konnte unbehelligt die Albany Street überqueren und die Klinik betreten. Den Aufzug musste sie sich mit einem halben Dutzend frisch gebackener Assistenzärztinnen und -ärzten teilen, die gerade den ersten Monat ihrer Rotation absolvierten. Sie musste an den Spruch denken, den sie damals im Medizinstudium gelernt hatte:
Nur nicht im Juli krank werden.
Sie sind alle so jung, dachte sie, als sie in die frischen, glatten Gesichter blickte, umrahmt von Haaren, in denen noch keine Spur von Grau zu finden war. Irgendwie schien ihr das in letzter Zeit immer öfter aufzufallen, ob es nun Polizisten oder Ärzte waren, denen sie gegenüberstand: Wie jung sie alle aussahen. Und was sehen diese angehenden Ärzte, wenn sie mich anschauen?, fragte sie sich. Nur eine Frau, die allmählich in die Jahre kam, eine Frau in Straßenkleidung, ohne das Namensschild mit dem »Dr.« am Revers. Vielleicht nahmen sie an, dass sie die Angehörige eines Patienten sei; jedenfalls niemand, den sie eines zweiten Blickes würdigen mussten. Auch sie war einmal so gewesen wie diese Assistenzärzte, jung und von sich selbst eingenommen, stolz auf ihren weißen Kittel. Bevor sie die Lektion des Scheiterns gelernt hatte.
    Die Fahrstuhltür öffnete sich, und sie folgte den jungen Ärzten auf die Station. Sie marschierten schnurstracks an der Stationszentrale vorbei, unantastbar in ihren weißen Kitteln. Es war Maura mit ihren Zivilkleidern, die von der Stationssekretärin sofort kritisch beäugt und mit einer energisch vorgebrachten Frage gestoppt wurde: »Verzeihung, suchen Sie vielleicht jemanden?«
    »Ich möchte eine Patientin besuchen«, erwiderte Maura. »Sie wurde gestern Abend eingeliefert, über die Notaufnahme. Soweit ich weiß, wurde sie heute Morgen von der Intensivstation hierher verlegt.«
    »Und der Name der Patientin?«
    Maura zögerte. »Ich glaube, sie wird immer noch als ›Jane Doe‹ geführt. Dr. Cutler sagte mir, dass sie auf Zimmer 431 liegt.«
    Die Stationssekretärin kniff argwöhnisch die Augen zusammen. »Es tut mir Leid. Wir sind den ganzen Vormittag schon mit Anrufen von Reportern bombardiert worden. Wir können keine Fragen mehr über diese Patientin beantworten.«
    »Ich bin keine Reporterin. Ich bin Dr. Isles von der Rechtsmedizin. Ich habe Dr. Cutler gesagt, dass ich kommen würde, um nach der Patientin zu sehen.«
    »Könnten Sie sich bitte ausweisen?«
    Maura kramte in ihrer Tasche und legte ihren Ausweis auf den Tresen. Das habe ich nun davon, dass ich nicht im Laborkittel aufgekreuzt bin, dachte sie. Sie konnte die Assistenzärzte den Gang hinunterschlendern sehen, wie eine Schar stolzer weißer Gänse, und niemand hielt sie auf.
    »Sie könnten Dr. Cutler anrufen«, schlug Maura vor. »Er kennt mich.«
    »Na ja, es wird schon in Ordnung sein«, meinte die Sekretärin und gab Maura ihren Ausweis zurück. »Es hat einen solchen Wirbel um diese Patientin gegeben, dass sie schon einen Wachmann hinschicken mussten.« Als Maura sich zum Gehen wandte, rief die Sekretärin ihr nach: »Der wird wahrscheinlich auch Ihren Ausweis sehen wollen!«
    Darauf gefasst, eine weitere kritische Befragung über sich ergehen zu lassen, behielt Maura den Ausweis in der Hand, als sie den Flur entlang zu Zimmer 431 ging. Doch als sie vor der geschlossenen Tür ankam, war von einem Wachmann weit und breit nichts zu sehen. Gerade wollte sie anklopfen, da hörte sie einen dumpfen Schlag aus dem Zimmer, dann ein Klirren wie von fallenden Metallgegenständen.
    Sofort riss sie die Tür auf und stürzte ins Zimmer, wo sie eine verwirrende Szene vorfand. Ein Arzt stand am Bett und streckte die Hand nach dem Infusionsbeutel aus. Ihm gegenüber beugte sich ein Wachmann über die Patientin und versuchte, ihre Handgelenke am

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