Scheiss dich nicht an - Lebe
Picknickkörbchen die Krankenblätter seiner Patienten zum Beispiel, die immer etwas sehr Tröstliches haben.
Er legt sie auf seine übereinandergeschlagenen, sehr dünnen und sehr femininen Beine in den Lodenknickerbockern, mit seinen Beinen kann er wirklich zufrieden sein. Dann kaut er an seinem Stiftchen herum und fängt an, die Krankenblätter auf den neuesten Stand zu bringen:
„Was haben wir denn da?“, fragt er sich. „D wie Dörfliche Jugend, du meine Güte!“
Augenblicklich schaudert es den Doktor Krisper, wenn er daran denkt, wie ängstlich die Rotzbuben von der Dörflichen Jugend bei jeder Schuluntersuchung das Arschfältchen zusammenkneifen. Sie leiden allesamt unter Verstopfung, notiert er, und stolpern von einem Schließmuskelkrampf zum nächsten. Wovor haben sie denn solche Angst, dass sie gar so dicke Lederhosen tragen und er ihnen nicht mit der Arzttaschenlampe in den Kamin hineinleuchten darf, wovor denn?
Der Doktor Krisper weiß es natürlich, aber er sagt es nicht.
Er blättert lieber weiter zu L wie Lois Lehn, seiner schwierigen Schizo-Patientin.
„Weltweit größter Fan von Dustin Hoffman“, bringt er ihre Akte auf den neuesten Stand, wohingegen sie den Robert Redford überhaupt nicht leiden kann. „Glaubt neuerdings sogar, dass sie Carl Bernstein von der Washington Post ist!“, notiert er besorgt. „Das muss man sich erst einmal vorstellen!“
Als der Doktor Krisper das Flugzeug abstürzen sah, hat er sie natürlich sofort angerufen, um ihr rotes Weinnäschen auf eine Geschichte zu stoßen, die ihr endlich Ruhm und Anerkennung in der Welt der schreibenden Zunft einbringen sollte, aber sie hat immer nur gefragt:
„Wo ist denn die Story?“
Es hat jedenfalls ganz ordentlich gestaubt letzte Sternennacht, als der Unterhosen-Bomber der US Air Force mit Ziel Bagdad hier heroben zuerst niedergegangen und dann auseinandergebrochen ist, nachdem der wackere Pilot zuvor ein paar Kilometer weit den Gebirgskamm entlanggeschrammt ist und sich verzweifelt gegen den Föhnsturm gewehrt hat, der ihm aber letztendlich seinen Willen aufgezwungen hat wie der starke Arm vom Hasenscharten-Ulf der extrem schwer zu läutenden Glocke vom Tripischovski.
„Und die Story?“
Die Story ist die, dass die sicherlich auch sehr leckeren und gut trainierten boys drüben in Bagdad jetzt ohne Unterhosen in der Wüstenhitze herumstehen, während hier heroben in der Höhensonne ein paar zehntausend davon herumliegen, aus Kunstfaser und made by Tripischovski, dem er noch vor ein paar Monaten den Lodenschrank leergekauft hat.
„Das wäre jedenfalls ungefähr die Story gewesen, Carl.“
Der Doktor Krisper blättert dann unverdrossen weiter zu B wie Biermösel, oh la la la! Was kann, was soll, was darf man als Arzt über so einen Menschen noch sagen?
Er hebt die mehrbändige Ausgabe der Biermösel’schen Krankenblätter von seinen schlanken Schenkeln und legt sie auf den bemoosten Almboden. Dann kritzelt er mit seiner Ärzteklaue geschwind, geschwind ein psychiatrisches Ferngutachten in eine letzte freie Ecke:
„Traumatische Kindheitserfahrungen mit sexuell extrem überlegenem Zuchteber praktisch erwiesen. Muss seither – aus Rache, aus Haß, aus Wut – alles Säuische vernichten, sprich: Er muss die Schweinderl essen!“
(Exkurs: „Fühlt sich der Biermösel etwa auch Hopfen und Malz unterlegen, weil er zusätzlich alles Bier dieser Welt vernichten muss? Das wäre weltweit vermutlich das erste Mal, dass sich einer Hopfen und Malz unterlegen fühlt, aber möglich ist es, möglich ist beim Biermösel alles.“)
Um den Biermösel wenigstens von einem seiner vielen Leiden zu befreien (von seiner unbeschreiblichen Unterhose!), hat der Doktor Krisper ihn heute Früh angefunkt und hier heraufbestellt, wem sonst könnte er mit einer neuen Unterhose mehr Freude machen, und Geburtstag hat er ja schließlich auch gehabt, voilà!
Noch aber ist der geborene Faulsack nicht hier heroben angekommen, und so hat der Doktor Krisper noch ein bisschen Zeit für anderes:
In einer Art Endspurt will er sich noch seinem Jahrhundertprojekt widmen, dem epochalen Positiv-Denke-Ratgeber-Schmöker Scheiß dich nicht an — lebe! , an dem er seit nunmehr 35 Jahren feilt und bei dem er endlich Licht am Ende des Tunnels zu sehen glaubte, doch auf der Zielgerade hängt der Karren wieder fest! Der letzte und entscheidende Satz will ihm einfach nicht gelingen, nicht einmal hier heroben in der klaren und frischen Bergluft fällt ihm
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