Scheiss dich nicht an - Lebe
– er kann es nicht anders sagen als die hysterische Schwiegermutter im Liebesfilmfernsehen – fast um den Verstand, jawoll, um den Verstand! Und wie er dann in der Kanaldeckelstraße nach einem Loch sucht, das vielleicht noch nicht komplett überfüllt ist und durch das er hinabsteigen könnte, um sie zu retten, da macht ihn die Sorge um seine Sau Trudi schon fast blind, jawoll, fast blind!
Anders als mit seiner momentanen Blindheit kann sich der Biermösel jedenfalls nicht erklären, warum er auf einmal trotz 35 Jahren erprobter Kurvenakrobatik im Dienst weit neben der Straße dahingaloppiert und dann per Flugakrobatik überhaupt tief in das eiskalt dahinhüpfende Bächlein abtaucht, das im Winter tiefgefroren und ruhig ist, im Frühling aber unberechenbar und launisch (wie die rothaarige Modegeschäftsbesitzerin im Liebesfilmfernsehen!), und in dem er sofort mit der einen Schädelhälfte gegen einen gewaltigen Stein im Bachbett kracht, bevor er mit der anderen gegen einen noch viel gewaltigeren donnert, Frage an Radio Biermösel: Warum muss es denn eigentlich immer sein Schädel sein?
Eine erhabene Stille ummantelt ihn dann trotz der tosenden Stromschnellen, die ihm das Wasser in alle Öffnungen hineintreiben, und mit dem ganzen Wasser verschluckt der Biermösel auch gleich ein paar Bachforellen, du meine Güte, 60 Jahre ist er ohne Fisch ausgekommen, und jetzt weiß er auch warum: So ein Fisch ist kein Schweinderl, und seine Schuppen sind kein Krusterl. Dazu serviert ihm der Bach anstatt der sonst üblichen Beilagen nur Treibholz und Kieselsteine. Ein paar hundert Kilo mehr wird er also schon wiegen, falls er jemals wieder auftaucht, was im Augenblick unwahrscheinlich ist, weil dort unten schon das Mühlrad vom Meisterbäcker Finz auf ihn wartet, das ihn sofort ordentlich durchwalkt wie früher die Waschweiber im Wilden Westen die Kochwäsche von den Cowboys.
Dann hat der Biermösel eigentlich genug erlebt für heute! Aber der Bach mit seinen vielen Wellen will ihn einfach nicht hergeben, so eine Freude hat er mit ihm. Er reißt ihn immer weiter mit, weit weg von sich selbst und dieser Welt, in der er das Glück nie gefunden hat (wie das eingesperrte Wildpferd von der Gutsbesitzerin im Liebesfilmfernsehen!). Und nur die vielen Steine im Bachbett unten wollen ihn immer wieder zurückhalten, aua! Interessante Frage vielleicht, wer am Ende gewinnen wird: die Steine oder sein Schädel?
Kann jedenfalls gut sein, denkt sich der Biermösel dann, als er ein paar Minuten lang mit dem Schädel voran im Kiesbett drinnen stecken bleibt, kann wirklich gut sein, dass dieses Mal er es sein wird, der als Wasserleiche irgendwann irgendwo wieder auftaucht, oder andersherum ausgedrückt:
Elender Einsamer Biermösel
1943-2003
Aber noch sind natürlich längst nicht alle Tränen geweint! Der immer weiter anschwellende Bach reißt ihn auf einmal mit hinein in den Kanal, tief hinunter in die Ursuppe von der Menschheit, in der er sich aber überraschend schnell zu Hause fühlt, „habe die Ehre!“
„Das warst alles du!“, hört er zur unfreundlichen Begrüßung gleich ein paar Zimttörtchenscheißerinnen, die auf dem Weg zur Kirche oder von der Kirche weg zum Frisör Manfred da hereingefallen sein müssen und die trotz der misslichen Lage, in der sie ohne Stabtaschenlampe von der Bundesregierung den Weg zurück ans Licht nicht finden werden, ihre vermeintliche Überlegenheit nicht ablegen wollen:
„Wie kannst du uns denn so was antun?“
Aber immer wieder muss er ihnen die bittere Wahrheit mitten ins Gesicht hineinschleudern:
„Alles euer Werk! Da liegt Gemüse!“
Und peng!, feuert er ein paar Schüsse in die Dunkelheit hinein, um die frechen Gemüter fürs Erste zu beruhigen. Aber ganz ohne Licht macht das Herumballern auch keinen Spaß, also wo ist ein Licht?
Ausgerechnet inmitten von dem ganzen Dreck fällt ihm endlich die depperte Bundesregierung ein und die Stabtaschenlampe, die sie ihm anvertraut habt, damit er die Finsternis nach einer eventuellen Gefahr ausleuchte, und danke herzlich, jetzt ist es endlich so weit, dass er das Glumpert gebrauchen kann!
Kaum biegt der Biermösel damit aber um die erste Ecke, liest er zunächst an einer Tafel an der Wand:
DIE, DIE IHR HIER EINTRETET, LASSET ALLE EINEN FAHREN!
Na bumsti, denkt er sich, was soll denn das jetzt wieder heißen?
Dann erst sieht er in diesem Inferno den Knecht Ruprecht in seiner Verkleidung als Bauer und in seiner Letztbestimmung als Wasserleiche
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