Scheisskerle - Warum es immer die Falschen sind
wohldosiert. Droht das Opfer abzuspringen, weil die Qual zu stark erhöht wurde, kann das Konzept der ersten Monate wieder hervorgeholt und angewendet werden. Die Situation beruhigt sich und wird üblicherweise gegenüber dem Umfeld als »Er hat ja auch seine guten Seiten« oder »In anderen Beziehungen ist ja auch nicht alles perfekt« geschönt. Man könnte sie beinahe als »systemimmanente Charakteristik« bezeichnen, diese Fähigkeit des Täters, bei Bedarf seinen Charme zum Einsatz zu bringen. Es ist eine außerordentlich wichtige Funktion, die sein kriminelles Überleben sichert. Sein Charme ist bei ihm gleichzusetzen mit der Fähigkeit, Akzeptanz im Umfeld des Opfers herzustellen und die Einschätzung anderer Menschen zu manipulieren, die diese wiederum auch dem Opfer mitteilen, beziehungsweise, darauf basierend, dessen Situation einschätzen und bewerten. Sein Charme macht es diesem Täter aber auch möglich, sich selbst und sein Verhalten situativ intelligent anzupassen. Ich verwende die Begriffe aus dem strafrechtlichen Kontext ganz bewusst, denn es ist mir daran gelegen, die Täterschaft des sadistischen Mannes als grausam zu kennzeichnen. Es ist im Kontext unserer derzeitigen Rechtslage schwer, jemanden, der so handelt, zu belangen oder zu verurteilen. Unser Rechtssystem ahndet diese Form der Gewalt nicht, und das Bewusstsein in der Bevölkerung für die Verwerflichkeit sadistischer Handlungen, auch wenn sie sich nicht zwingend in körperlichenStraftaten postulieren, ist bedauerlicherweise eher unterentwickelt. Dabei haben die Angriffe eines Sadisten nur eine Quelle: die blanke Zerstörungswut. Die Gründe dafür sind vielfältig, was sie keinesfalls entschuldigt. Es handelt sich nicht um einen Täter, dessen Handlungsfähigkeit eingeschränkt wäre. Ganz im Gegenteil: Sadisten sind zumeist intelligente und ihre Intelligenz umfassend einsetzende Machtmenschen. Durch ihr charismatisches und dominantes Auftreten gerät jedoch in den Hintergrund der Betrachtung, dass die Ursachen dieses Täterverhaltens in mangelndem Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein, möglicherweise sogar in Psychosen und manischen Depressionen liegen.
Woran erkennt man nun, ob jemand »seelisch grausam« ist? Die Fachliteratur geht dabei von zwei Mustern aus, die als pathologisch angesehen werden können. Zum einen ist das die permanente Wiederholung oder auch Fixierung, zum anderen die fehlende Selbstreflexion des Täters. Er ist quasi unfähig zu der selbstkritischen Frage: »Was habe ich da getan?« Im Gegensatz zum Betrüger oder Serientäter ist der Sadist geprägt von einem hochgradig narzisstischen Weltbild und benutzt die aufgebaute Herrschaft über jemanden, um ihn an sich zu binden und festzuhalten. Zugleich fürchtet er aber zu große Nähe und hat rasch das Gefühl, vereinnahmt zu werden. In der Frage der »Eigentumsverhältnisse« geht es ihm vorrangig darum, Abhängigkeiten zu schaffen und damit seinen Allmachtsbedürfnissen gerecht zu werden. Sein Mittel dabei ist das Vage, das Undurchsichtige. Seine Strategie gehtam besten auf, wenn das Opfer im Ungewissen lebt. Dabei ist der Täter von Beziehungsunfähigkeit gekennzeichnet. Nähe stellt er nur her, um einem drohenden »Ausstieg« des Opfers vorzubeugen. Wahre Gefühle spielen dabei keine Rolle. Dass Frauen, deren Gefühlsentwicklung nicht stark oder nur sehr rudimentär ausgebildet ist, die sich also nicht »auf ihr Gefühl verlassen« können, besonders große Probleme haben, diesem Schwindel auf die Schliche zu kommen, versteht sich von selbst. Der Sadist kann auch leicht dadurch erkannt werden, dass er in der Öffentlichkeit dominant und selbstsicher ist und gern auftritt. Zu jedem hat er eine Meinung, zu allem kann er Stellung nehmen. Dabei äußert er sich oft in herabsetzender Form über Dritte oder Zusammenhänge. Wer ein Spinner ist, wohin die Wirtschaft geht, der Dollar oder die Zukunft der Eisbären – nichts ist ihm fremd, außer ihm kann sowieso niemand die Welt richtig einschätzen. Das sind im Wesentlichen Manöver dazu, die eigenen Defizite und sein mangelndes Selbstwertgefühl zu umschiffen.
Ich glaube, dass eine Beziehung, in der ein solches Verhaltensmuster eingerissen ist, kaum »gekittet« werden kann. Denn das Übel liegt im Wesentlichen in den Anfängen der Beziehung. Ein Sadist wird, wie Betrüger und Serientäter auch, erst zu dem, was er ist, indem wir es zulassen. Die Anfänge sind schleichend und erfolgen fast unbemerkt. Es beginnt mit
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