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Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)

Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)

Titel: Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ruhkieck
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Irgendwo in der Nachbarschaft knallte eine Tür und ein Baby begann zu weinen. Sie wirkte eingeschüchtert und wie von schlechtem Gewissen geplagt. Und obwohl ihre Hand seinen Arm noch nicht wieder losgelassen hatte, wusste Nicky, dass Stine ihren Satz nicht mehr beenden würde.
    »Meine Mutter hasst mich«, versuchte Nicky, Stine ein wenig abzulenken. »Wirklich. Kein Spruch. Wenn sie könnte, würde sie mich an Menschenhändler verkaufen. Mich will nur ke iner haben.« Es sollte ein Scherz sein, doch wirklich weit weg von der Realität war es nicht.
    Stine ließ sein Handgelenk los. »Und, ist es deine Schuld? Ich meine, dass sie dich hasst?« Nicky konnte sehen, dass sie so dringend eine Antwort brauchte und verspürte plötzlich Mitleid mit ihr. Jemand sollte ihr sagen, dass sie sich nicht irrte, jemand sollte ihre wahnwitzige Theorie unterstützte, obwohl daran überhaupt nichts wahnwitzig war.
    Nicky kamen plötzlich Bilder aus den Nächten mit seiner Mutter in den Sinn. Seit dem Vorfall beim Abendessen war sie nicht mehr in sein Zimmer gekommen. Doch das hinderte die Erinnerung nicht daran, zu den unpassendsten Gelegenheiten ekelerregende Bilder an sein inneres Auge zu senden. Bilder von ihrer Hand in seiner Hose. Ihm wurde übel. Er erinnerte sich an die Wut und die verzweifelte Frage, was er getan hatte, um das zu verdienen. Und immer wieder war er zu demselben Ergebnis gekommen: Nichts. Er hatte nichts getan, und er hatte es auch nicht verdient.
    »Nein, es ist nicht meine Schuld«, antwortete Nicky nach e inem Augenblick. Stine sah ihn dankbar an, und es schien, als wäre ein kleiner Teil von dem Gewicht ihrer Last, mit dem sich ihr Körper und ihre Seele quälten, von ihren Schultern gefallen. Sie lächelte, und Nicky lächelte zurück.
    »Treffen wir uns mal wieder?«, fragte sie schließlich. N icky bemühte sich, um nicht vor Freude in die Luft zu springen. Er wollte gerade antworten, als ihm etwas ganz anderes in den Sinn kam.
    Conny.
    Sein Vater konnte ihn nicht ewig wegsperren, und es würde Conny nicht gefallen, wegen Stine versetzt zu werden. Und sich zu dritt zu treffen wäre die denkbar unklügste Idee. Nicky musste sich dringend etwas einfallen lassen!
    »Klar treffen wir uns wieder. Aber du darfst es niemanden verraten. Und schon gar nicht Conny. Einverstanden?« Stine sollte nicht denken, dass er sich für sie schämte, aber er musste unbedingt verhindern, dass Conny ihm alles kaputt mac hte. Er mochte Conny, keine Frage, schließlich war er sein bester Freund, doch was Mädchen anging hatte er sehr zweifelhafte Ansichten.
    Doch zu seiner Überraschung schien Stine weder g ekränkt, noch enttäuscht zu sein. »Von mir aus. Dann muss ich wenigstens niemanden erklären, warum ich mich mit dir abgebe.«
    Nicky senkte grinsend den Kopf. Es sah ganz so aus, als wü rden er und Stine Freunde werden, und das fühlte sich toll an. Wenn das in einer Welt wie dieser möglich war, dann konnte alles passieren!
     
     
    Sonntag, 31. Juli
     
    Das Schlimmste war, dass Nicky ihn offenbar für blöd hielt. Aber das war er nicht. Conny war alles andere als blöd, und er wusste es. Er wusste, dass Nicky sich seit mehreren Tagen heimlich mit dieser Möse Stine traf, nachdem er sich von Conny verabschiedet hatte.
    An einem Abend hatte Conny darauf geschissen, pünktlich zu Hause zu sein. Er war sogar das Risiko eingegangen, von seinem Vater wieder verprügelt zu werden, was nicht geschehen war, da dieser mit einer Alkoholfahne und einem Speichelfaden an der Unterlippe auf seinem Sessel vor dem Fernseher eingeschlafen war.
    Conny verfolgte Nicky nur ungerne heimlich. Ihm war schon den ganzen Tag das seltsam fahrige und gedankenve rlorene Verhalten von Nicky aufgefallen, doch diese Katastrophe hatte er nicht erwartet. Nicky traf sich heimlich mit diesem Mädchen, sie gingen spazieren, aßen Eis und unterhielten sich. Nicky machte dabei nicht einmal den Eindruck, als würde er versuchen, bei ihr zu landen. Dies und seine Heimlichtuerei waren ein herber Rückschlag für ihre Freundschaft. Vermutlich hatte er diese Möse sogar gerne! Er versuchte sicher nicht, sie zu befingern, und falls er es doch tat, behielt er es für sich und erzählte nichts davon seinem besten Kumpel.
    Das alles kränkte Conny sehr.
    Auch an diesem Nachmittag tat Nicky wieder so, als wäre alles in Ordnung. Sie saßen in einem Baum und zerstocherten mit Stöcken unbewohnte Vogelnester.
    Doch nichts war in Ordnung.
    Conny musste einfach wissen,

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