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Scherbenherz - Roman

Scherbenherz - Roman

Titel: Scherbenherz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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eisernem Griff wegzuzerren, von ihrem Tun abzuhalten versuchten, während Stimmen beruhigend auf sie einredeten. Sie hielt sich am Bett fest, trat verzweifelt um sich. Ihre Schreie hallten laut in ihrem Kopf wider.
    Noch immer waren seine Augen geschlossen. Noch immer tat er nichts.
    Noch immer nicht.

Anne
    E ine Schwester aus dem Krankenhaus rief bei Anne zu Hause an. Die junge Frau zögerte, wusste offenbar nicht recht, wie sie den Grund ihres Anrufs erklären sollte. Anne spürte ihr Unbehagen schon vom ersten Atemzug an.
    »Mrs. Redfern?«
    Anne unterdrückte eine ungehaltene Reaktion. Sie empfand es als schrecklich unhöflich, ein Telefonat ohne ein freundliches »Hallo« zu beginnen, ohne sich vorzustellen und kurz den Grund des Anrufs zu nennen. Derartiges Verhalten brachte sie auf die Palme. Als Charlotte noch jünger gewesen war und ihre Schulfreunde anriefen, wusste Anne sofort, wer eine gute Erziehung genossen hatte: Es waren diejenigen, die sich mit Namen vorstellten, mit Anne kurz ein paar Nettigkeiten austauschten und dann – und erst dann – baten, mit Charlotte sprechen zu dürfen. Diejenigen, die keine dieser elementaren Benimmregeln beachteten, kamen auf Annes virtuelle schwarze Liste. Riefen sie während der Essenszeiten an, waren sie endgültig unten durch. Und Anne hatte ein erschreckend gutes Gedächtnis für Fehlleistungen dieser Art.
    »Ja«, meldete sich Anne. »Am Telefon.«
    »Oh, hallo. Ähm, Sanjita Rana hier. Krankenschwester. An der Klinik. London Bridge.« Sie hielt kurz inne. »Wo Ihr Mann liegt«, fügte sie unnötigerweise hinzu.
    »Ist was mit ihm?«, fragte Anne. Am anderen Ende war ein nervöses Hüsteln zu hören.
    »Also nein. Nicht direkt.«
    »Was soll das heißen? Nicht direkt?«, entgegnete Anne. Sie war ungehalten, aber gleichzeitig stellte sich mit einem unangenehmen Gänsehautgefühl Sorge und Angst ein.
    »Die Sache ist die, Mrs. Redfern. Wir haben ihre Tochter hier.«
    »Charlotte?«, sagte sie dümmlich, als habe sie zahllose andere Töchter zur Auswahl. Anne warf einen Blick auf den Wandkalender, der an einer Korktafel über dem Telefon hing. Es war Sonntag. Anne kam es seltsam vor, dass Charlotte Charles an einem Wochenende besuchte. Normalerweise verbrachte sie jede Minute ihrer freien Zeit mit Gabriel. Merkwürdig, überlegte sie, ohne den Gedanken zu Ende zu denken. Sie schob ihn beiseite und wartete, dass die Krankenschwester fortfuhr.
    »Richtig. Sie hat uns gebeten, Sie anzurufen.«
    Schweigen.
    »Sie … Nun es hat zuvor einen kleinen Unfall gegeben. Keine Sorge, es ist nichts passiert. Jedenfalls nicht viel«, fuhr die Schwester mit einem übertriebenen Eifer fort, der bei Anne sofort die Alarmglocken läuten ließ. Anne fröstelte. Sie sah an sich herab und entdeckte Gänsehaut auf ihren Armen. »Ihre Tochter war bei Ihrem Mann, und es kam … also es hat eine heftige Auseinandersetzung gegeben.«
    »Ich verstehe nicht. Wie meinen Sie das?«
    Anne hörte, wie die Schwester das Telefonkabel zwischen den Fingern drehte. Als sie fortfuhr, war ihre Stimme nur noch ein Flüstern. Im Hintergrund herrschte die übliche Geräuschkulisse des Krankenhauses: schlurfende Schritte, quietschende Räder der Essenswagen, das Piepen und Summen zahlloser lebensverlängernder Geräte.
    »Ihre Tochter hat au f ihn eingeschlagen.«
    »Hat wen geschlagen?«
    »Hat Ihren Mann geschlagen. Sie hat, also, sie hat Mr. Redfern geschlagen.«
    Zuerst war es still. Annes Kehle war trocken. Sie schluckte geräuschvoll, atmete langsam durch die Nase ein, hielt mehrere Sekunden lang die Luft an und atmete aus, zählte mit aller Beherrschung, zu der sie fähig war, bis fünf. Sie hatte irgendwo gelesen, diese Übung würde entspannen. Bei ihr jedenfalls funktionierte es nicht.
    »Ich verstehe.«
    »Es geht ihm gut«, versicherte die Krankenschwester etwas zu hastig. »Ist nichts Schlimmes passiert – ein paar blaue Flecken vielleicht, aber er hat keinen dauerhaften Schaden genommen. Aber …«
    »Ja?«
    »Ihre Tochter ist sehr aufgewühlt. Wir mussten ihr etwas zur Beruhigung geben. Leider hat sie die anderen Patienten erschreckt …«
    »In Ordnung. Ich verstehe.«
    Die Schwester schien erleichtert, dass Anne die Angelegenheit so ruhig aufnahm, Schuldzuweisungen ausblieben. Sie wirkte jetzt entspannter, wobei ein neuer forscher Ton in ihrer Stimme nicht zu überhören war.
    »Nachdem sie wieder ansprechbar war, haben wir sie gefragt, ob wir jemanden benachrichtigen sollen. Daraufhin hat

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