Schicksal in zarter Hand
dran. Wo warst du?“
„Ich hatte einiges zu erledigen.“ Sie stellte ihre Tragetaschen ab und ging zu Franco. „Warum haben sie dir erlaubt aufzustehen?“
„Niemand hat es erlaubt. Ich habe es einfach getan.“
„Ist das vernünftig?“
„Ich atme noch.“ Sein Ton blieb feindselig.
Beinah hätte Lexi etwas sehr Sarkastisches erwidert, ließ es aber lieber bleiben. Sie zog die Jacke aus und hängte sie über die Lehne des Besucherstuhls.
Franco trug einen weißen Bademantel – und offensichtlich nichts darunter. Seine Haare wirkten feucht, und er hatte sich rasiert.
Sein Gesicht war nicht mehr so krankhaft blass. Er hatte die Lippen zusammengepresst, und seine Augen blickten klar und konzentriert. Auf den Laptopbildschirm, nicht auf sie, wie Lexi etwas pikiert feststellte.
Ja, so hatte Franco sich früher auch oft benommen. Kalt und abweisend. Und dann hatte er Worte wie tödliche Waffen eingesetzt.
Sie nahm sich vor, diese Stimmung nicht weiter zu fördern, indem sie auf seine Herausforderungen einging. Nein, sie würde ganz gelassen bleiben.
„Du riechst gut“, stellte sie beiläufig fest.
Er blickte kurz zu ihr und tippte mit fünf Fingern weiter. Erstaunlich schnell. Die zweite Hand konnte er nicht benutzen, weil seine Schulter noch bandagiert war.
„Heute Morgen um neun Uhr hast du das Hotel verlassen. Vor drei Stunden also“, rechnete Franco ihr missmutig vor. „Und du hast schon wieder eine Hose an. Hast du vergessen, wie man einen Rock trägt?“
Auch unter diesem Schwall an Vorwürfen behielt sie die Ruhe. Die schwarzen Leggings sahen wirklich nicht toll aus. Aber sie hatte ja bis vor Kurzem nichts anderes zum Anziehen gehabt.
„Welche Art Rock möchtest du denn an mir sehen, Franco?“, erkundigte sie sich betont naiv. „Kurz und eng? Wadenlang und elegant? Weit und duftig?“
Sie holte ihre Einkaufstüten und stellte sie neben Francos Sessel.
„Sieh mal, ich habe mir diese drei gekauft, weil ich nicht wusste, was dir am besten gefällt. Außerdem habe ich mir zwei Kleider zugelegt – ich konnte einfach nicht widerstehen. Und zwei Nachthemden, Unterwäsche …“
Während sie sprach, zog sie all diese Teile aus den Tüten und ließ sie einfach auf den Laptop fallen, ohne sich darum zu kümmern, ob es Franco störte.
„Wirklich schrecklich, wie wenig ich in meiner Eile in London eingepackt habe! Ich meine, wie weit kommt man mit einer Jeans, nur einem Top zum Wechseln, ohne zusätzliche Unterwäsche und ein zweites Paar Schuhe?“
Er fing die neuen Schuhe auf, bevor sie auf die Tastatur fallen konnten.
„Die Frage war natürlich rein rhetorisch“, versicherte Lexi. „Du brauchst sie also nicht zu beantworten. Das musste ich natürlich auch noch besorgen.“ Sie holte eine Haarbürste und Kosmetikartikel aus der letzten Tüte.
„Wehe!“, warnte er leise. „Lass die nicht fallen!“
„Okay!“ Sie stopfte sie in die Tüte zurück. „Ich merke, dir sind die Dinge, die für uns Mädchen lebenswichtig sind, völlig egal. Aber was hältst du hiervon?“ Nun zog sie ein Plüschkaninchen hervor, das sie ihm sanft in die freie Hand drückte. „Ein Geschenk für dich.“
Sie beobachtete ihn genau, während er das Spielzeug betrachtete, und zu ihrer großen Erleichterung entspannten sich seine markanten Züge. Endlich blickte er zu ihr hoch, und er lächelte sogar. Jetzt war sie froh, dass sie diese leicht alberne Show abgezogen hatte, um ihn aus seinem Stimmungstief zu holen.
„Ich dachte, du wärst wieder weggelaufen“, gestand Franco.
Warum wieder? überlegte Lexi, dann fiel ihr ein, dass sie ja vor dreieinhalb Jahren ohne Vorwarnung nach England abgereist war – und ohne ein Wort der Erklärung. Nicht einmal einen Zettel hatte sie geschrieben. Damals hatte sie das Krankenhaus verlassen und war in ein Taxi gestiegen. Mit der Absicht, niemals wieder zurückzukommen.
Das Schicksal hatte es anders bestimmt.
„Ach, Unsinn“, sagte sie jetzt beiläufig und kniete sich neben Francos Sessel. „Ich war doch nur einkaufen. Willst du ihm nicht Hallo sagen?“ Sie zeigte auf das Stofftier.
Franco sah das Spielzeug an. „Wieso ihm? Es ist eine Kaninchendame, wie man an der rosa Schleife um den Hals erkennt.“
„Na ja, es gab keinen mit blauer Schleife.“
„Aha. Und hat er einen Namen?“, erkundigte sich Franco amüsiert.
„Ja. Er heißt … William“, bestimmte sie. „William Wabbit. Der junge Mann im Laden konnte das englische R für rabbit nicht
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