Schicksal in zarter Hand
aussprechen. Ich fand es nett, wie er Wabbit gesagt hat.“
„Wieso hat er das? Auf Italienisch heißt das Tier coniglio .“
„Ja, schon, aber der junge Mann hat Englisch mit mir gesprochen, um mich zu beeindrucken“, erklärte Lexi.
„Er hat mit dir geflirtet?“, wollte Franco wissen.
„Aber natürlich!“ Sie nahm ihm die Schuhe ab und steckte sie in die Tüte zurück. „Schließlich ist er doch Italiener!“
Anstatt ihre anderen Einkäufe von seinem Laptop zu nehmen, fasste Franco nach ihrer Hand.
Lexi blickte auf, und in seinen dunklen Augen las sie, was er vorhatte. Sie versuchte, sich zurückzuziehen, aber bevor sie sich bewegen konnte, zog er sie näher zu sich und drückte seinen Mund auf ihren.
Wärme durchflutete sie, als sie die vertraute Berührung spürte, den innigen Kontakt ihrer Lippen, den sie früher so sehr genossen hatte. Beinah hätte sie sich dazu hinreißen lassen, Franco richtig zu küssen, aber im letzten Moment wurde ihr bewusst, wie riskant das wäre. Rasch zog sie sich zurück und stand auf.
„Grazie“, bedankte er sich rau. „Für William Wabbit.“
„Keine Ursache.“ Sie begann, ihre Sachen einzusammeln und in den jeweiligen Tüten zu verstauen. „Woher wusstest du übrigens so genau, wann ich das Hotel verlassen habe?“
„Pietro sollte dich abholen. Er kam fünf Minuten zu spät“, erklärte Franco.
Ich muss aufhören, ihn ständig zu küssen, ermahnte Lexi sich. Na gut, sie hatte gestern damit angefangen, und der Kuss gerade eben war ja nur als Dankeschön gemeint, aber … Es musste trotzdem aufhören!
„Hier!“ Er reichte ihr sein Handy, das neben dem Laptop gelegen hatte. „Speicher deine Handynummer ein.“
„Wieso? Damit du immer checken kannst, wo ich gerade bin?“, erwiderte sie trotzig.
„Das ist ein Kommunikationsmittel, kein Überwachungsgerät.“
Sie verzog das Gesicht, erfüllte ihm aber den Wunsch. Während des Einkaufens hatte sie überlegt, wie sie sich ihm in der nächsten Zeit gegenüber verhalten sollte, und sie hatte beschlossen, ihm – so gut es ging – über Marcos Verlust hinwegzuhelfen.
Ja, sie wollte ihm eine Freundin sein, aber nicht in der Art, die er anscheinend erwartete. Noch immer waren ihre Lippen warm von der Berührung seines Mundes. Es fühlte sich gut an, aber es war zu riskant. Also Schluss damit, sagte sie sich nochmals eindringlich und gab Franco das Handy zurück.
Er fragte sich, was Lexi gerade dachte. Sie behandelte ihn heute so wohlwollend, als hätte sie sich damit abgefunden, mit ihm zusammen zu sein. Das Plüschkaninchen war ein Beweismittel.
In ihrem gemeinsamen Sommer hatte sie ihm häufig Geschenke gemacht: billige, witzige, ausgefallene Dinge, die einfach Spaß machten. Zum Beispiel das winzige Kamel aus Plastik auf einem Sockel, das in sich zusammensackte, wenn man den Sockel nach innen drückte. Lexi hatte behauptet, genauso würde er aussehen, wenn er tanzte.
Oder die Frösche in verschiedenen Größen, Materialien und Farben, die sie auf dem Bord über dem Kabinenbett aufgereiht hatte und jeden Abend einzeln küsste – weil sie, wie sie sagte, überzeugt war, einer von ihnen werde sich in einen Prinzen verwandeln.
Er hatte noch nie eine Frau getroffen, die so war wie sie. Lexi war manchmal noch fast kindlich, gleichzeitig aber außergewöhnlich leidenschaftlich und sinnlich. Sie hatte ihm so völlig vertraut, dass sie sich nicht verstellte und nicht zurückhielt, sondern einfach tat, was ihr in den Sinn kam.
Sie stibitzte seine Hemden, benutzte seine Zahnbürste und warf seine Freunde – ohne ihn zu fragen – kurzerhand von der Jacht, wenn sie von ihnen genug hatte. Sie durchtanzte ganze Nächte in den Klubs, ohne sich um ihn zu kümmern, lachte und flirtete ungehemmt, bis sie müde wurde. Dann kam sie so zielstrebig zu ihm wie eine Brieftaube, die nach Hause fand, und zog ihn mit sich, egal, was er gerade machte oder mit wem er sich unterhielt.
Ihr war nie in dem Sinn gekommen, er könnte von ihr genug bekommen. Oh ja, seine Freunde hatten hinterhältige Bemerkungen darüber gemacht, dass er seine Freundinnen schnell wieder abservierte, aber darauf hatte Lexi nie gehört. Sie hatte ihn von ganzem Herzen geliebt und geglaubt, er erwidere ihre Gefühle.
Als dann alles schiefgelaufen war, war sie in einen Strudel der Enttäuschung hinabgezogen worden. Von einem Tag auf den anderen war sie zu einer Fremden geworden, die er nicht wiedererkannte. Sie war für ihn verloren.
Franco
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