Schicksal in zarter Hand
wer denn nun entscheiden solle, war sie mit ihrer Neuigkeit geplatzt, dass sie schwanger sei. Ohne Vorwarnung hatte Bruce Franco einen Fausthieb versetzt, den der seltsamerweise hingenommen hatte, ohne sich zu wehren oder sich zu revanchieren.
Dass ihn ihre Ankündigung quasi schon k. o. geschlagen hatte, war ihr erst später klar geworden.
„Ich habe den ebenso noblen wie herrischen Weg gewählt und dir die Ehe förmlich aufgezwungen. Dabei wäre es besser für dich gewesen, allein und in Ruhe um deine Mutter zu trauern.“
Ja, arme Mum, dachte Lexi traurig. Ihre Mutter hatte immer von Ruhm geträumt. Doch Graces Tod hatte kaum Erwähnung in den Medien gefunden, während die Hochzeit Francesco Tolles mit einem blutjungen Filmstar Schlagzeilen gemacht hatte – in England ebenso wie in Italien.
Franco hatte recht, dass sie mehr Zeit zum Trauern gebraucht hätte. Stattdessen war sie hier, wo keiner den Namen Grace Hamilton jemals gehört hatte, in den Wirbel der Hochzeitsvorbereitungen gestürzt worden. Die weitverzweigte Familie Tolle behandelte Lexi zwar höflich, sah sie aber als Eindringling an, als jemanden, der Francos Leben ruinierte. Sie hatten ihn bedauert – und sie mit ihrem Kummer allein gelassen.
Auch Franco hatte sich kaum um sie gekümmert. Allerdings hatten sich seine Gefühle schon vorher abgekühlt.
Jetzt fuhren sie auf ein schmiedeeisernes Tor mit dem Wappen der Tolles zu. Es öffnete sich automatisch und gab den Blick frei auf einen klassischen italienischen Garten mit bunten Rabatten, eingefasst von niedrigen Buchsbaumhecken, mit moosbedeckten Statuen und munter plätschernden Brunnen.
Im Hintergrund ragte majestätisch Monfalcone auf, ursprünglich eine Burg mit Wassergraben und Zugbrücke, im Lauf der Jahrhunderte zu einem eleganten Landsitz ausgestaltet, der alle Annehmlichkeiten für ein Leben in Muße bot. Der Graben war aufgefüllt worden, anstelle der Brücke gab es ein Tor, das immer offen stand.
Durch den schattigen Torweg ging es in den sonnendurchfluteten Innenhof mit einem Springbrunnen in der Mitte und Arkadengängen im Parterre und ersten Stock. Innen war das Schloss luxuriös ausgestattet mit Marmorfußböden, auf Hochglanz poliertem Holz und Möbeln, die im Lauf der Jahrhunderte erworben worden waren und trotz der unterschiedlichen Stilrichtungen wunderbar harmonierten.
Ja, das Haus als solches und den eleganten Lebensstil hatte Lexi bewundert, auch wenn sie hier so unglücklich gewesen war.
Wie werde ich mich dieses Mal fühlen? fragte sie sich bang.
Franco hingegen war sichtlich begeistert, wieder zu Hause zu sein. Sobald das Auto angehalten hatte, öffnete er seine Tür und stieg aus, ohne auf Hilfe zu warten. Wie weh es ihm tat, merkte Lexi nur daran, dass er unwillkürlich scharf ausatmete.
Aber er schaffte es, und dann stand er da, das Gesicht der Sonne zugewandt, mit einem dankbaren Ausdruck auf dem erschöpften Gesicht.
Erst jetzt wurde Lexi klar, dass er wahrscheinlich insgeheim befürchtet hatte, sein Elternhaus womöglich nie wieder zu sehen.
Nun wurde die große Eingangstür geöffnet, und Zeta kam in den Hof. Sie war eine kleine rundliche Frau mit glatten silbergrauen Haaren. Nach einem kurzen Blick auf Lexi eilte sie zu Franco.
„Ja, wie sehen Sie denn aus!“, schimpfte sie. „Sie können sich ja kaum auf den Beinen halten! Da wären Sie besser im Krankenhaus geblieben. Sie müssen den Verstand verloren haben.“
„Hallo, Zeta. Ich freue mich auch, Sie zu sehen“, erwiderte Franco trocken.
Sie hob beide Hände. „Wenn Ihr Vater nicht ebenso verwirrt wäre, wie …“
„Kann ich vielleicht nach drinnen, bevor Sie mit der Standpauke weitermachen?“, unterbrach er sie.
Gekränkt trat sie einen Schritt beiseite. Sowohl Lexi als auch Pietro eilten an Francos Seite, um ihm zu helfen, aber er wies sie schroff ab.
Dann ging er, ohne Anzeichen von Schmerzen zu zeigen, ins Haus.
Die drei folgten ihm und beobachteten, wie er langsam die Stufen in den ersten Stock hinaufging. Lexi hätte ihm am liebsten zugerufen, dass dieses sinnlose Machogehabe sie überhaupt nicht beeindruckte, aber sie hatte Angst, er werde sich womöglich umdrehen und dabei das Gleichgewicht verlieren.
Erst als er sicher oben angekommen war, atmete sie tief durch. „Ich hoffe, du bist stolz auf dich, weil du das geschafft hast. Ich bewundere dich dafür nämlich nicht.“
Er blickte im wahrsten Sinn des Wortes auf sie hinunter. „Oh, ja, ich bin sehr zufrieden mit mir.“
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