Schicksal!
nicht nachahmen, egal wie viel All-was-auch-immer ich auszustrahlen versuche. Also bleibt mir nur ein begrenztes Zeitfenster, um meinen Standpunkt darzulegen. Letztlich werden diese Menschen feststellen, dass ich ein Betrüger bin – und deshalb muss ich ihnen ihre emotionale Misere überzeugend klargemacht haben, ehe sie mich durchschauen. Und ehe die Security auftaucht.
»Ihr müsst nicht leiden«, rufe ich ihnen zu. »Ihr müsst kein Leben in Selbsttäuschung führen. Ihr seid eures eigenen Glückes Schmied.«
Entspricht zwar nicht ganz der Wahrheit, hört sich aber toll an. Zumindest tat es das, als ich es im Radio aufgeschnappt habe. Jetzt verrät mir allerdings ein Blick in die Gesichter der Menschen, die mich noch immer anstarren, dass sie keine Ahnung haben, wovon ich rede.
Vermutlich sollte ich das Niveau senken.
»Seht genau hin«, fahre ich fort. »Ihr braucht diesen ganzen Mist nicht, um glücklich zu sein. Um euch attraktiver zu fühlen. Um die emotionale Leere in euren Leben zu füllen. Ihr braucht kein Roberto-Cavalli-Hemd, keine Dior-Sneakers und keine Versace-Sonnenbrille, um damit einen Ausgleich zu eurer gescheiterten Beziehung zu schaffen. Okay, der da braucht sie vielleicht«, räume ich ein und deute in der Menge auf die zweiunddreißigjährige Reproduktion einer Ken-Puppe mit all diesen Dingen am Körper. »Aber für den Rest von euch besteht Hoffnung.«
Ein Stockwerk über mir entdecke ich, wie die Mall-Security auf die Rolltreppe zustürmt.
»Du«, spreche ich einen dreißigjährigen chronischen Versager an, der seiner Freundin soeben Diamantohrringe gekauft hat, weil er emotional überfordert ist und diesen vermeintlichen Fehler wiedergutmachen will. »Sie will keinen Schmuck. Sie will nur, dass du ehrlich und mitfühlend bist.«
Er schaut sich mit einem verlegenen Lächeln um.
»Ihr.« Ich deute auf ein jungvermähltes Paar, das sich regelmäßig wegen der Toilettenbrille, wegen Supermarkteinkäufen und der alphabetischen Ordnung der CDs streitet. »Es spielt keine Rolle, dass er krankhaft ordnungsfixiert ist oder dass sie ihren Mist überall herumliegen lässt. Was allerdings sehr wohl eine Rolle spielt, ist, dass ihr euch akzeptiert – nicht trotz, sondern wegen eurer Fehler.«
»Er hat recht«, erwidert sie und blickt ihren Ehemann an.
»Was auch immer«, murmelt er, dreht sich um und geht weg. Die Miene seiner Frau verrät den Beginn eines weiteren Streitgesprächs, als sie ihm schließlich folgt.
Zumindest habe ich es versucht.
Aus dem Augenwinkel erkenne ich, dass die Sicherheitsleute sich allmählich einen Weg die Rolltreppe hinab bahnen.
»Und du«, sage ich und zeige auf die vierzigjährige geschiedene Mutter von zwei Kindern, die der Sicherheit den Vorzug vor dem Risiko der wahren Liebe gegeben hat. »Vergiss deinen faulen Freund und öffne dein Herz deinem Mitbewohner, der dich wirklich liebt.«
Mehr Zeit bleibt mir nicht, denn inzwischen haben mich zwei Sicherheitsbeamte erreicht und bitten mich, aus dem Blumenkübel zu steigen.
»Nun denn, vielen Dank«, schließe ich. »Ihr wart ein wundervolles Publikum. Ich hoffe, ihr habt die Show genossen. Und denkt immer daran: Geht nicht im Zorn schlafen, gebt euch nie mit weniger zufrieden und esst immer schön euer Gemüse.«
Bei diesen Worten verbeuge ich mich und lüpfe einen imaginären Hut. Dann folge ich dem Beispiel meiner nicht vorhandenen Kopfbedeckung: Ich löse mich in Luft auf.
34
I ch hab eine Überraschung für dich«, sagt Sara, nimmt mich bei der Hand und führt mich über die Fifth Avenue.
Überraschungen mag ich eigentlich nicht so sehr. Ratet mal, warum. Aber an dem Tag, an dem ich aus Kalifornien zurückkomme, erklärt Sara mir, dass ich sie zu einem bestimmten Ort begleiten müsse und dass es mir gefallen würde.
Ich hoffe es. Eine Aufmunterung könnte ich jetzt wirklich gut gebrauchen. Es ist nicht so, dass ich keinen Spaß in San Francisco gehabt hätte. Nachdem ich nach Manhattan zurückgereist bin, habe ich allerdings eine kurze Überprüfung der Menschen gemacht, die ich erst vor nicht allzu langer Zeit auf den Pfad der Bestimmung gesetzt hatte. Und dabei musste ich feststellen, dass Cliff Brooks tot ist.
Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Zum Teufel, das habe ich nicht kommen sehen. Wenn es ihm bestimmt gewesen wäre, für eine gute Sache zu sterben oder während er jemandem das Leben gerettet hätte, dann hätte ich es zumindest verstehen können. Aber Menschen auf dem Pfad
Weitere Kostenlose Bücher