Schicksalsbund
Gerüchte, die er über manche der Experimente hörte, die Whitney im Zusammenhang mit der genetischen Weiterentwicklung vorgenommen hatte, ließen ihn erkennen, dass sie es mit jemandem zu tun hatten, der zwar brillant sein mochte, aber vollkommen übergeschnappt war.
»Er hatte so lange die Genehmigung, zu tun, was er will, ohne sich irgendjemandem gegenüber verantworten zu müssen, dass er sich inzwischen einbildet, über
dem Gesetz und sogar über dem Präsidenten zu stehen. Er hält sich selbst für einen großen Patrioten, der sein Land verteidigt. Er ist der Überzeugung, dass der Zweck die Mittel heiligt.«
»Dann sagst du mir also im Grunde genommen, alles, was mir Jaimie über ihn und seine Experimente erzählt hat, entspricht wahrscheinlich der Wahrheit, und ich hätte auf sie hören sollen.«
»Ja. Genau das sage ich. Ich habe es auch damals schon gesagt. Sie ist so verflucht klug, dass man ihre Meinung nicht ignorieren sollte.«
»Ich höre einen Vorwurf aus deinen Worten heraus.«
»Ich sage nur, wenn du Jaimie noch einmal wehtust, reiße ich dir das Herz heraus und verfüttere es an dich.«
Kane gab sich zwar lässig, aber er scherzte nicht. Wie die meisten Männer in seinem Team hatte Kane Frauen gegenüber ausgeprägte Beschützerinstinkte. Macks Mutter war für die meisten von ihnen der einzige stabile Einfluss gewesen. Vielleicht war ihr Hang, andere zu beschützen, sogar übertrieben stark, aber sowie jemand Frauen falsch anpackte, verstanden sie keinen Spaß mehr.
Kane hatte seine berufliche Laufbahn, sein Leben und alles, was ihn ausmachte, aufs Spiel gesetzt, um ehrenwert zu handeln und den Frauen bei der Flucht aus der Einrichtung zu helfen, in der sie festgehalten wurden. Befehle hin, Befehle her – was Kane anging, war das, was Whitney von ihnen verlangt hatte, nicht ehrenwert. Kane hatte alles getan, was in seiner Macht stand, um den Befehlshabern Beweise dafür zu liefern, damit dem Einhalt geboten wurde. Jetzt hegte Kane ein tiefes Misstrauen gegen Whitney und die Befehlskette, was hieß, dass auch Mack ihnen allen misstraute. Seit Kanes Rückkehr von
diesem Auftrag hatte Mack seinen besten Freund noch genauer im Auge behalten, um ihm jederzeit den Rücken zu decken.
»Ich höre, was du sagst.«
»Und wenn sie dir das nächste Mal sagt, dass etwas verdammt faul ist, dann wirst du dein verdammtes Ego in die Ecke stellen und auf die Frau hören.«
»Fürs Zuhören bin ich immer zu haben«, sagte Mack scheinheilig.
Kane drehte sich um und stöhnte. »Ich probiere es nochmal mit dem Sofa. Falls wir länger hierbleiben, kaufe ich morgen ein Bett, das schwöre ich dir.«
»Wir bleiben. Und du verweichlichst. Du hast im Lauf der letzten Jahre öfter auf dem Boden als in einem Bett geschlafen. Und alt wirst du auch.«
»Sagt der Boss, der den Vorteil hat, in einem schönen weichen Bett zu liegen.«
»Es ist ein Einzelbett, Kane. Es mag ja weich sein, aber Platz ist hier keiner. Und neben ihr zu liegen bringt mich um.«
»Dann leg dich eben woanders hin, du sturer Kerl.«
»Das kommt überhaupt nicht in Frage. Ich bin dabei, mein Gebiet abzustecken. Sie wird mich nicht so leicht wieder in ihr Leben lassen. Sie ist entschlossen, sich von mir fernzuhalten.«
Kane versuchte, sich auf dem Sofa kleiner zu machen. Er hatte eine breite, muskulöse Brust und kräftige Arme. Ein Arm fiel immer wieder vom Sofa und hing unbequem hinunter.
»Weißt du, Mack, es ist nicht immer alles nur schwarz und weiß. Manchmal müssen wir aus irgendwelchen Gründen Dinge tun, mit denen wir nicht leben können.
Das sitzt dir dann tief in den Eingeweiden und hält dich nachts wach. Wir sind alle unterschiedlich geschaltet. Du besitzt eine Gabe, etwas in deinem Innern, was dich Entscheidungen treffen und mit den Konsequenzen leben lässt. Wir Übrigen sind nicht so glücklich dran. Jaimie musste aus reinem Selbsterhaltungstrieb tun, was sie getan hat. Nach allem, was ich bei meiner Arbeit für Whitney auf diesem Gelände gesehen habe, würde ich aussteigen, wenn es ginge, aber sie werden keinen von uns gehen lassen. Jetzt nicht mehr. Es geht schon lange nicht mehr um das Geld und die Ausbildung. Wir sind ihnen zu gefährlich geworden.«
Mack blieb stumm und drehte und wendete die Worte in Gedanken. Kane war aufgewühlt gewesen, als er von seinem letzten Einsatz zurückgekehrt war. Nicht nur aufgewühlt und bedrückt, sondern plötzlich auch sehr misstrauisch. Er hatte jeden Auftrag mit Argwohn
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