Schicksalsbund
sie. Er hätte sie gern in seine Arme gezogen und sie eng an sich gedrückt, um sie vor jedem Leid zu beschützen.
Er hatte dieses Leben für sie alle ausgesucht, und er hatte es in vollen Zügen genossen. Ein Teil von ihm tat es immer noch, vielleicht sogar der größte Teil von ihm. Er liebte das, was er tat. Mit der Zeit hatte er sogar begonnen, die Steigerung seiner übersinnlichen Fähigkeiten und die Weiterentwicklung seiner genetischen Anlagen
zu lieben. Aber Jaimie bedeutete ihm alles. Er brauchte sie. Er wusste nur nicht, wie er das eine mit dem anderen in Einklang bringen konnte. Er hatte ihr in jener Nacht so viele Dinge gesagt. Er hätte gern vergessen, dass er sie gesagt hatte, aber seitdem waren zwei Jahre vergangen, und er hatte reichlich Zeit gehabt, sich Wort für Wort daran zu erinnern, wie er ihr gesagt hatte, sie würde noch zu ihm zurückgekrochen kommen und ihn anflehen, sie wieder aufzunehmen, denn ohne ihn käme sie nicht zurecht. Er war so wütend auf sie gewesen – oder zumindest hatte er das geglaubt. Im Laufe dieser zwei langen Jahre hatte er erkannt, dass er wütend auf sich selbst gewesen war, weil er sie – und alle anderen – in die gefährliche Lage gebracht hatte, in der sie alle waren. Er war dafür verantwortlich, und er konnte die anderen selbst dann nicht sitzenlassen, wenn es schien, als fehlte ihm ohne Jaimie die Luft zum Atmen.
Er sah die Erkenntnis in ihren Augen, und ihm wurde klar, dass sie mit Kanes Verrat besser fertigwurde als er. Vielleicht verstand sie es sogar. Jaimie schien fähig zu sein, Dinge zu sehen, die er nicht sehen konnte. Sie hob eine Hand und versuchte Joe wegzustoßen.
»Lass mich weitermachen, Süße«, sagte Joe. »Ich kann es dir erklären.«
»Wir können es dir beide erklären«, fügte Kane hinzu, und Mack hatte den Verdacht, er sagte es mehr um seiner selbst als um Jaimies willen. »Lass ihn dich behandeln. Du weißt, wie gefährlich Gehirnblutungen sind.«
Jaimie verschlang ihre Finger mit Macks Fingern, klammerte sich an ihn und zwang sich, ihre Gegenwehr einzustellen.
»Sie heißt Jaimie«, sagte Mack. »Nicht ›Süße‹.«
Joe warf ihm einen Blick zu. »Du suchst Streit, aber ich lasse mich nicht provozieren. Ich tue lediglich …«
»Du tust deine Arbeit«, fiel Jaimie ihm ins Wort und schloss die Augen, weil sie ihm nicht ins Gesicht sehen wollte. »Das höre ich oft. Einfach toll, diese Ausrede, dass man Befehle befolgt.«
Sie hatte weder gewusst, dass Joe ein Schattengänger war, noch, dass er hergeschickt worden war, um sie zu bewachen. Anfangs war sie argwöhnisch gewesen. Er war ihre zweite Wahl gewesen, doch ihre erste Wahl hatte einen anderen Job angenommen. Sie hatte eingehende Nachforschungen über Joe angestellt und für alles, was er sagte, Belege gefunden. Da sie wusste, dass sich selbst das manipulieren ließ, hatte sie mehrere Einstellungsgespräche mit ihm geführt und versucht, ihn mit Fragen aus dem Konzept zu bringen. Wenn eine Geschichte einstudiert war, wurde sie oft nahezu wortwörtlich wiederholt. Joe aber blieb in den Gesprächen locker und gewandt.
Und einen anderen Schattengänger hätte sie als solchen erkennen sollen. Oder zumindest als jemanden mit übersinnlichen Fähigkeiten. Nach der Hitze in ihrem Kopf zu urteilen, besaß er eindeutig übersinnliche Fähigkeiten.
»So liegen die Dinge nicht, Jaimie«, protestierte Joe.
»Ach, wirklich? Du hast nicht auf meine Annonce geantwortet und dich um den Job beworben? Du hattest keine vorgeschobene Geschichte parat? – Und noch dazu eine sehr gute, könnte ich hinzufügen. Ich bin ziemlich sicher, dass du nie erwähnt hast, du seist zu meinem Schutz abgestellt.«
»Das sind deine Räumlichkeiten auf der gegenüberliegenden
Straßenseite, die meine Männer aufgedeckt haben?«, fragte Mack.
»Ich konnte einfach nicht glauben, dass dein Mann mich entdeckt hat. Er ist einer der sehr wenigen, die das jemals geschafft haben.«
»Er hat dich auch identifiziert, als du eben an die Haustür gekommen bist.« Mack sagte ihm nicht, dass es Gideon war. Er wusste nicht, was hier vorging, und daher schützte er seine Männer instinktiv.
Jaimie bemühte sich, trotz ihrer starken Schmerzen klar zu denken. Selbst wenn sie ihr Erklärungen gaben, würde das nicht viel ändern. Sie konnte Verrat wittern, und Kane hatte den Geruch des Verrats verströmt. Es war wie eine Wolke gewesen, die ihn einhüllte. Warum war das bei Joe nicht der Fall gewesen? Das
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