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Schicksalsfäden

Schicksalsfäden

Titel: Schicksalsfäden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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dass Vivien eben nicht die Hausherrin, sondern nur ein Hausgast war. Mit ihrer Natürlichkeit ihrem freundlichen Wesen und ihrem Charme hatte sie jeden im Haus in ihren Bann geschlagen – wirklich jeden im Haus, auch ihn. Während Grants Blick über seine Angestellten schweifte, fühlte er Verachtung für sich und alle anderen in sich aufsteigen. Wie leicht waren sie doch zu beeinflussen.
    Doch all diese Gedanken waren mit einem Mal wie weggewischt, weil in diesem Augenblick Vivien Duvall oben an der Treppe erschien. Ein vielstimmiges anerkennendes Seufzen stieg zur Decke. Dann herrschte atemlose Stille, während Vivien allein die Treppe herunter auf sie zukam. Sie trug ein atemberaubendes bronzefarbenes Kleid, das wie flüssiges Metall ihre Hüften und Beine umwirbelte. Keine andere Farbe hätte ihr rotes Haar und ihren zarten Teint besser zur Geltung bringen können. Ihre Brüste wurden durch ein tiefes Mieder etwas nach oben gedrückt und zusammengepresst und böten einen Anblick, der bei Grant im wahrsten Sinne des Wortes das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Er musste mehrmals kräftig schlucken, während sie auf ihn zukam, und beinahe hätte er das Glas mit dem Brandy fallen gelassen. Sein Kammerdiener sah das Unglück kommen und nahm ihm das Glas sanft aus der Hand. Grant bemerkte es nicht einmal.
    Viviens Schultern waren frei, die Hände und Arme steckten in langen weißen Handschuhen. Um ihre Ellbogen lag locker ein bronzefarbener Schal, in den Goldfäden eingearbeitet waren. Goldfäden waren auch die einzige Verzierung am Kleid und betonten dezent ihre schmale Taille.
    Ihre Augen trafen sich, und Grants Herz machte einen kleinen, aber schmerzhaften Satz gegen seinen Brustkorb.
    Die langen Wimpern machten ihren Augenaufschlag zu einer Aufforderung, ihr Haar war eine prächtige Krone aus raffiniert geflochtenen Bändern und Locken. Noch nie hatte er einen ähnlichen Haarstil gesehen, aber Grant war sich sicher, dass diese Frisur nach dem heutigen Abend in ganz London in Mode kommen würde. Erst jetzt fiel ihm auf, dass Vivien keinerlei Schmuck trug. Die Vivien Duvall, die er glaubte zu kennen, hätte sicher nicht darauf verzichtet dachte er. Vor allem dann nicht wenn sie wüsste, dass sie zu einem Ball ging, auf dem alle anderen Damen ihre besten Stücke zur Schau stellen würden.
    Es schien fast so, als hätten Vivien und die Hausmädchen aus der Not eine Tugend gemacht: Die letzten sichtbaren blauen Flecken, die noch von dem Mordversuch herrührten, waren elegant von einem enganliegenden bronzefarbenen Band abgedeckt das an Viviens zarter Kehle mit einer seiner goldenen Krawattennadeln zusammengehalten wurde. Diese Krawattennadel in Form einer Krone war Grant einmal zusammen mit anderen Bow-Street-Runner von Seiner Majestät persönlich als Belohnung für hervorragende Dienste verliehen worden.
    Diese Nadel würde auf dem bevorstehenden Ball ein eindeutiges Zeichen sein. Natürlich würden alle sie sofort mit Grant Morgan in Verbindung bringen und sich fragen, was es zu bedeuten hatte, dass Vivien Duvall sie tragen durfte. Und Morgen würde ganz London selbstverständlich annehmen, dass sie seine Geliebte war.
    Hin- und hergerissen zwischen Freude und Empörung warf Grant seinem Kammerdiener Kellow einen fragenden Blick zu. Dieser errötete sofort übers ganze schmale Gesicht. »Äh … tja, Sir, Mrs. Buttons kam zu mir und fragte, ob ich nicht eine Art Nadel oder etwas Ähnliches für sie hätte, und – nun ja, Sir – diese war die einzige, die ich so schnell finden konnte, Sir.«
    »Ohne meine ausdrückliche Einwilligung werden Sie in Zukunft keinen meiner persönlichen Gegenstände mehr herausgeben. Verstanden?«, grollte Grant.
    »Jawohl, Sir.«
    Jetzt stand Vivien vor Grant und hob kokett und fragend zugleich eine fein geschwungene Augenbraue.
    »Ich denke, so wird es gehen«, brachte Grant hervor. Er lächelte nicht, weil er sich darauf konzentrieren musste, nicht allzu dümmlich dreinzublicken.
    In der knisternden Stille wurde er sich plötzlich wieder all der Zuschauer bewusst die um ihn und Vivien herumstanden. Und als wollten diese die ungemütliche Situation retten und seine Unfreundlichkeit wettmachen, machten auf einmal alle gleichzeitig Vivien Komplimente.
    »Sie sind bildschön, Miss Duvall!«
    » … die Königin des Abends …«
    » … alle werden blass sein vor Neid, Miss …«
    Angesichts der Begeisterung, mit der sich sein Personal um diese Hure bemühte, stieg Wut in

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