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Schicksalsfäden

Schicksalsfäden

Titel: Schicksalsfäden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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überhaupt vergessen? Verwirrt riss sie sich von dem überraschten Morgan los.
    »Grant«, sagte sie, »zuerst muss ich etwas wissen. Bitte, sagen Sie mir, als wir miteinander … also als wir …«
    Vollkommen durcheinander blickte sie zuerst auf das Bett und dann in seine grünen Augen.
    »Also, ich meine, wie war ich damals? War der Sex so gut wie Sie es erwartet hatten? Wie haben wir es … helfen Sie mir, Sie wissen doch, was ich meine«, sprudelte es aus ihr hervor, ihr Gesicht war puterrot geworden.
    Seltsamerweise schien ihm das Thema ebenso unangenehm wie ihr zu sein. Ausweichend sagte er: »Ich kann Sie unmöglich mit irgendeiner anderen Frau vergleichen, mit der ich geschlafen habe.«
    »Aber …«, drängte sie weiter.
    Grant fühlte sich in die Enge getrieben und ständig musste er an die leidenschaftlichen Beschreibungen ihrer Liebeskunst durch Lord Gerard denken. Schließlich ertappte er sich dabei, wie er seine Worte für Vivien wiederholte, schleppend und tonlos: »Ich habe nie zuvor mit einer Frau geschlafen, die so vollkommen schamlos ist die keine Tabus kennt.«
    »Das ist sehr merkwürdig. Immerhin bin ich außerhalb des Schlafzimmers verschämt genug.«
    Sie sahen sich in die Augen, beide spürten die Unsicherheit des anderen. Beide spürten, dass es Geheimnisse zwischen ihnen gab, die der andere nie erfahren durfte.

Kapitel 9
    Grant hatte schon unzählige Bälle und Gesellschaften in London miterlebt. Er war ein Veteran auf diesem Gebiet und betrachtete solche Veranstaltungen entsprechend nüchtern. Im Grund, fand er, waren alle Bälle gleich: Paraden von Gentlemen in dunklen Anzügen und ihren Ladies in freizügigen Abendroben. Die älteren Herrschaften spielten Whist im Salon und die jüngeren Gäste tanzten oder zogen sich, wenn nötig, in intimere Gemächer zurück.
    Während die Musiker ihr Standardrepertoire herunterleierten, warteten die alleinstehenden Damen auf Stühlen am Rand der Tanzfläche darauf, von alleinstehenden Herren zum Tanzen aufgefordert zu werden. Die Luft war erfüllt vom Summen der Stimmen und dem Geruch lauwarmen Essens.
    Hitze, Klatsch und Tratsch, geheucheltes Lächeln, fettige Haare und zu viel Parfüm: das war ein durchschnittlicher Londoner Ball. Also sterbenslangweilig.
    Aber an diesem Abend würde für Grant alles anders sein, schließlich würde er mit einer Frau auftreten, einer berüchtigten Halbweltdame, die ganz London für tot hielt. Morgen würde es jeder wissen, vom Graf bis zum Schuhputzer, dass Vivien Duvall, die teuerste Kurtisane von London, lebte – und dass sie mit Grant Morgan, dem gut aussehenden, etwas zwielichtigen Bow-Street-Runner, beim Lichfield-Ball aufgetaucht war.
    Grant hatte keinen Zweifel daran, dass die Person, die versucht hatte, Vivien zu ermorden, nach diesem Ereignis ihr wahres Gesicht würde zeigen müssen.
    Mit einem Glas Brandy in der Hand stand Grant in der Eingangshalle seines Hauses und wartete auf Vivien. Die schwarze Droschke stand schon seit zehn Minuten vor der Tür, die Lakaien und Vorreiter waren zur Abfahrt bereit.
    Grant übte sich in Geduld, denn er wusste, dass Damen bei solchen Anlässen stets etwas länger brauchten. Schon aus Tradition sozusagen.
    Da kam plötzlich eines der Hausmädchen, Mary, die Treppe heruntergeschossen, ihr Gesicht glühte vor Aufregung und Vorfreude. »Sir, Mrs. Duvall lässt Ihnen ausrichten, dass sie jeden Moment herunterkommen wird. Sie kümmert sich nur noch um die letzten Details, Sir.«
    Grant nickte und drehte sich dann zum Eingang um, weil er Stimmengemurmel hörte. In der Eingangshalle hatten sich inzwischen tatsächlich Haus Mädchen, Diener, Lakaien, ja fast sein gesamtes Personal versammelt sogar sein Kammerdiener wollte sich offensichtlich Miss Duvalls Auftritt nicht entgehen lassen. Merkwürdig, dachte Grant wie sich die Stimmung im Haus seit der Ankunft Viviens verändert hatte. Die düstere, männlich herbe Atmosphäre war einer ungewohnten Heiterkeit gewichen. In anderen Häusern war diese Szene fast Normalität: Das Personal erweist der Lady des Hauses die Ehre und verabschiedet sie zu einem großen gesellschaftlichen Ereignis. Nicht so bisher im Hause Grant Morgans. In diesem Moment erschien es ihm fast so, als wäre dies nicht mehr das Haus eines Junggesellen …
    Missbilligung stand Grant ins Gesicht geschrieben, als er die Versammlung in der Halle überblickte, aber niemand schien ihn wahrzunehmen. Und niemand schien in diesem Augenblick zu interessieren,

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