Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schicksalsfäden

Schicksalsfäden

Titel: Schicksalsfäden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
Vom Netzwerk:
auch hier in den Gassen hinter den hochherrschaftlichen Häusern Bordelle, zwielichtige Spelunken und Garküchen. Victoria entdeckte im Schatten zu ihrer Linken einen Eingang und rannte darauf zu. Sie erreichte die Kellertreppe und nahm zwei Stufen auf einmal. Dem Schild nach zu schließen, das über der Kellertür hing, handelte es sich hierbei um ein Wettbüro. Nach kurzem Zögern stieß sie die hölzerne Tür auf und trat in den dämmrigen Raum.
    Vielleicht ein Dutzend Männer waren in dem Raum. Sie standen herum, unterhielten sich, starrten auf Wetttafeln und Wettscheine und waren alles in allem zu beschäftigt, um Victoria gleich zu bemerken. An einer Bar, die mit Tabakdosen und überfüllten Aschenbechern übersät war, standen ein paar Gentlemen und stritten sich lauthals über Rennpferde. »Auf Sieg im zweiten Rennen? Sie sind ja nicht bei Trost Mann! Der ist doch überhaupt nicht in Form!« Ein Buchmacher mit dicker Lederschürze leierte mit erstaunlicher Geschwindigkeit Gewinnquoten herunter, dabei strich er sich ständig mit Daumen und Mittelfinger über seinen üppigen Backenbart. Die Luft war zum Schneiden und roch nach einer Mischung aus Schweiß, Tabak und nasser Wolle.
    Nachdem sie sich schnell umgesehen hatte, stellte sich Victoria stumm in eine dunkle Ecke des Raums nahe dem Eingang. Sie zog die Kapuze tief über ihr Gesicht, senkte den Kopf und versuchte möglichst nicht aufzufallen.
    Bitte, lieber Gott, lass Keyes an der Tür vorbeilaufen! betete sie inständig. Wenn er woanders suchen würde, wäre sie gerettet. Aber sie hatte wenig Hoffnung, denn hier befand sie sich im Jagdrevier der Bow-Street-Runner. Hier kannten sie jeden Winkel, denn in dieser Gegend suchten sie die meisten Verbrecher.
    Da tauchte in ihrem Blickfeld plötzlich ein schwarzes Paar Stiefel auf und eine Stimme sagte: »Sieh an, sieh an! Da hat ein kleines Vögelchen offenbar Angst vorm Gewitter, was? Hat ein trockenes Plätzchen gesucht und gefunden.
    Na, hier bist du richtig, kleines Vögelchen.«
    Die Gespräche verstummten und alle blickten sie an. Victoria biss sich auf die Lippen und machte schon einen zaghaften Schritt auf die Tür zu, als der Mann mit den Stiefeln ihr die Kapuze vom Kopf riss. Ein Raunen ging durch das Wettbüro. Der Mann nahm eine ihrer feucht glänzenden, roten Locken zwischen die Finger und stieß einen bewundernden Pfiff aus. »Und was für ein hübsches Vögelchen, ich muss schon sagen. Willst doch wohl nicht schon wieder wegfliegen, oder?« Nackte Gier stand in seinem Blick. »In so einer Nacht will man doch nicht allein sein, was. Hast dir den Richtigen ausgesucht, hübsches Vögelchen. Hier in meiner Hose hab ich harte Währung für eine Menge Spaß!« Er lachte laut und gemein. Sein Atem roch nach Gin. Trotzdem glaubte Victoria in ihm einen Mann des gehobenen Standes zu erkennen, denn er war glatt rasiert und er trug einen Mantel aus gutem Tuch.
    Für lange Sekunden sah sie ihm starr ins Gesicht. Dann sagte sie: »Auf dem Markt hat mich jemand belästigt. Er wollte nicht aufhören, da bin ich weggelaufen, um mich hier zu verstecken.«
    In gespielter Anteilnahme zog er eine Schnute und schüttelte den Kopf. Er ging sogar soweit ihr einen Arm um die Schultern zu legen und sie an sich zu drücken. »Tststs, nein, so was! Armes Täubchen, aber du musst jetzt keine Angst mehr haben, denn jetzt hast du ja mich. Und bei mir bist du in den besten Händen.« Darauf griff er nach den Verschlussbändern ihrer Pelerine und begann daran herumzuzerren.
    Victoria schnappte hörbar nach Luft.
    »Musst dich gar nicht so zieren, Täubchen. Ich will mir nur die Auslage ansehen«, sagte der aufdringliche Dummkopf mit einem anzüglichen Grinsen. Dass die Umstehenden dabei lachten und grölten, schien ihn noch anzustacheln.
    »Lassen Sie das!«, rief Victoria. »Ich bin doch nicht vor dem einen Kerl weggelaufen, um mich jetzt von Ihnen belästigen zu lassen.« Mit einer heftigen Bewegung schlug sie seine Hände weg und drückte sich noch weiter an die Wand.
    Der Dummkopf glaubte offenbar, sie würde ein Spielchen mit ihm spielen, und er beschloss mitzuspielen. Also lächelte er sie mit seinem schmierigsten Lächeln an. »Na hör mal, Täubchen. Du hast die Chance, diese Nacht mit einem echt tollen Hengst zu verbringen, und vielleicht ist sogar noch ’ne Belohnung für dich drin. Was kann sich eine Frau denn mehr wünschen?«
    »Ich biete Ihnen eine Belohnung, wenn Sie mich zur Bow Street bringen. Sie haben sicher

Weitere Kostenlose Bücher