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Schieber

Schieber

Titel: Schieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
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Füße gestellt hatte. Sehr entspannt, denkt der Oberinspektor ein wenig
enttäuscht.
    »Der Junge hat illegale Ware vom Hauptbahnhof auf den Hansaplatz
gebracht. Und irgendwann in den letzten Wochen fing er an, andere Waren aus
unbekannter Quelle bis zum Hafen zu bringen.«
    »Zum Hafen? Ziemlich weiter Weg von unserer Wohnung aus.«
    »Also muss ihm das schon einiges eingebracht haben.«
    »Was hat er denn für Waren geschmuggelt?«
    »Das frage ich Sie.«
    Kümmel zuckt mit den Achseln. »Bei uns zu Hause hat er nichts
versteckt, das ist mal sicher. Oder«, er überlegt, »wenn, dann etwas, das sehr
klein ist. So klein, dass es Greta und mir nicht aufgefallen ist. Aber Sie
haben ja auch nichts gefunden, als Sie sein Zimmer durchsuchten.«
    Den Keller und die anderen Räume der Wohnung aber haben wir nicht
auf den Kopf gestellt, erinnert sich Stave und verflucht sein Versäumnis. Da
wird längst nichts mehr zu finden sein, wenn Kümmel wirklich in
Schmuggelgeschäfte verwickelt ist. Soll er von den Tonbändern berichten? Oder
von den Tabletten? Unauffällig blickt er sich um: Kein Röhrchen mit Pillen zu
sehen. Und erst recht kein klobiges Tonbandgerät. So ein Gerät oder einige
Tonbänder würden in diesem engen Büro auffallen. Aber Tabletten? In Kümmels
Schreibtischschubladen könnten Hunderte versteckt sein. Gäbe es ein besseres
Versteck für heiße Ware als Hamburgs feinste Büroadresse, exakt auf halbem Weg
zwischen Hauptbahnhof und Hafen? Der Oberinspektor hat jedoch keinen
Durchsuchungsbefehl. Er beschließt, die Waren nicht zu nennen. Kann nicht
schaden, wenn Kümmel sich fragt, was er weiß.
    »Kann Adolf etwas von den Fuhren seiner Tante abgezweigt haben?«
    »Die Lastwagen meiner Verlobten transportieren Zucker, Fett, Holz,
Wollballen – Fracht, die schwer und groß ist, aber nicht so schwer und so groß,
dass man sie besser per Zug oder Binnenschiff von einem Ort zum anderen bringt.
Ich würde so etwas jedenfalls nicht schmuggeln.«
    »Was würden Sie denn schmuggeln?«
    Ein rascher Blick aus den grauen Augen. »Das ist nicht meine Branche.
Ich helfe meiner Verlobten manchmal aus. Und da ist alles vollkommen legal. Am
Freitag war ihr Fahrer krank, Masern, und das bei einem erwachsenen Mann! Ich
bin eingesprungen. Aber normalerweise halten mich meine Boxer vollauf
beschäftigt.«
    »Selbst Sie können nicht jede Woche einen großen Kampfabend
veranstalten.«
    Kümmel lacht zufrieden. »Einer im Jahr reicht. Beim ersten Kampf,
ten Hoff gegen Neusel, kamen 30.000 Zuschauer. Am 17. Oktober steigt die
Revanche. HSV-Arena an der Rothenbaumchaussee, 40.000 Karten, seit Wochen
ausverkauft!«
    »Wer wird gewinnen?«
    »Ten Hoff, der ist jung, 1,94 Meter groß, 194 Pfund. Walter Neusel
ist ein tapferer Kämpfer, aber er ist schon 40 Jahre alt. Nur ein Lucky Punch
könnte ihn retten.«
    »Wäre das schlecht fürs Geschäft?«
    »Beide sind bei mir unter Vertrag.«
    »Sie gewinnen immer.«
    »Ich gewinne immer.« Kümmel breitet die Arme aus. »Das ist das Haus
der Gewinner, Herr Oberinspektor. Letztlich ist es gleichgültig, ob man
Faustkämpfer oder Autoreifen verkauft. Man muss seine Ware nur erfolgreich an
den Mann bringen.«
    »Dann wird man zum Nachbarn eines Chlorodont-Vertreters.«
    Wieder wirft ihm Kümmel einen raschen, lauernden Blick zu. Der Blick
eines Boxers im Ring, am Anfang der Runde, denkt Stave.
    »Könnte sein, dass ich bald andere Nachbarn habe«, erwidert der
Boxpromoter gedehnt.
    »Chlorodont zieht um?«
    »Spotten Sie ruhig. Ich ziehe um. Nach New York.«
    »Die Amerikaner geben Ihnen ein Visum?«
    »Sie werden mich auf Händen über den großen Teich tragen. Ich
organisiere die Sensation des Jahrzehnts: das Comeback von Max Schmeling!«
    Wenn ich jetzt lache, dann haut mir der Kerl eine runter, denkt
Stave. Also bleibt er höflich, gibt sich interessiert. »Ist Schmeling nicht
noch älter als Neusel?«
    »Das macht nichts. Er ist berühmt. Sein Name hat in Amerika immer
noch einen guten Klang. Denken Sie an die beiden Fights gegen Joe Louis!«
    »Das war vor dem Krieg. Wenn einer wie Neusel mit seinen 40 Jahren
keine Chance hat gegen einen Neuling wie ten Hoff – wie soll dann Schmeling
gegen die Amerikaner bestehen?«
    »Wird er nicht!« Kümmel lacht. »Er ist bloß meine Eintrittskarte.
Ein einziger Kampf drüben, und ich bin in Amerika im Geschäft. Ich habe schon
Verbindungen: Promoter aus New York und Boston. Radiostationen, von der
Ostküste bis nach Kalifornien. Zwei

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