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Schief gewickelt (German Edition)

Schief gewickelt (German Edition)

Titel: Schief gewickelt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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mir einfach nicht schmecken. Doch irgendwie will man ja dem Kleinen nicht den Spaß vermasseln, und so lasse ich ihn dann doch die andere Hälfte der Thüringer in mich reinstopfen. Zum Glück habe ich Apfelschorle in der Papatasche, um gleich ordentlich nachzuspülen.
    Oh, wer geht denn da vorbei? Das ist ja Bandmutter-Karsten. Wahrscheinlich unterwegs, um sich seinen angekündigten Laptop-Bandersatz zu kaufen. Ich kenn ihn doch. Er kann nicht ohne Musik. Ich kann nicht rufen, weil mir Daniel den Mund dermaßen voll Wurst gestopft hat, dass ich kaum noch Luft bekomme.
    Karsten sieht mich nicht. Nichts zu machen. Er verschwindet im Saturn. Rabenbandmutter. Soll bloß nicht nachher angekrochen kommen und rumjammern, dass seine Festplatte zwar immer pünktlich zur Probe kommt, aber überhaupt kein bisschen lustig ist.
    Fünf Minuten später hab ich den Mund endlich leer und hole tief Luft. Daniel ist zappelig.
    »Noch eine Wurst vom Grillwohker!«
    »Nein!«
    »Aber noch mal dich füttern!«
    »Ich hab aber keinen Hunger, verflixt noch mal!«
    Nicht zu fassen. Muss ich schon meinen Autoritätsregler bis zum Anschlag hochziehen, nur um keine zweite Wurst in den Hals gesteckt zu bekommen. Wo soll das bloß enden?
    Auf dem Weg nach Hause gibt es zum Glück keine lebensbedrohlichen Situationen mehr, und es gelingt mir sogar, den neuen Rasierapparat unbemerkt an Herrn Baumer vorbei in die Wohnung zu schmuggeln. Wahrscheinlich hat er ohnehin einen mit integriertem Gesichtsmassagegerät und Aftershavespender, aber trotzdem. Man kann ja nie wissen.
    »Kann ich Ballett gucken?«
    Sehr gut. Auf Daniel ist Verlass.
    » Schwanensee , Nussknacker oder Dornröschen ?«
    »Nein, ich will den modernen Ballett gucken.«
    »Was?«
    »Den modernen Ballett gucken.«
    »Aber, Daniel, das war doch nur im Fernsehen. Das können wir doch jetzt nicht einfach noch mal sehen.«
    »Aber … ich will … Können wir nicht … ?«
    O nein, keine Tränen, bitte. Ich hole ja schon den blöden Videomitschnitt raus. Wird es halt doch nichts mit dem perfekten Tag.
    UMPTA ! … UMPATUMPTA ! … UMPTA IHH IHH IHH ! … IHHH ! … UMPATUMPTA !
    Die Irre im Indianerkostüm hüpft wieder herum.
    Ah, Telefon. Ist mir sehr recht.
    Tante Hilda ist dran. Das Bobby-Car-Rennen auf der Veteranenstraße. Es wird ernst. Freitag, 17 Uhr. Zwölf Papas treten an, und ich bin der erste. Gewertet werden die gefahrene Zeit und das Outfit des Fahrers. In der Mode-Jury sitzen zwei Redakteurinnen aus ihrer Zeitschrift und eine Modeprofessorin von der Universität der Künste. Na, Mahlzeit.
    »Markus, sag mal, was ist denn das für Musik da im Hintergrund?«
    »Du wirst es nicht glauben, Hilda, aber Daniel liebt jetzt Strawinsky.«
    »Entschuldige bitte die Frage, aber bist du dir sicher, dass er das wirklich hören will, oder willst nur du, dass er es hören will?«
    Immer dieser Generalverdacht, dass man ein überkandidelter Kulturehrgeizpapa ist. Ein Glück, dass ich locker alle Bedenken zerstreuen kann.
    »Wieso sollte ich wollen, dass er Strawinsky hört? Ich hasse Strawinsky.«
    »Äh … ach so.«
    Na super. Gerade noch der hyperaktive Bildungsbürger und jetzt wieder der hoffnungslose Kulturbanause. Wie schnell man doch sein Image verlieren kann. Aber selber schuld. »Ich hasse Strawinsky«, so was sagt man einfach nicht.
    »Wir sehen uns dann übermorgen Nachmittag an der Ecke Fehrbelliner/Veteranen. Ich freu mich schon – und ich bin natürlich sehr gespannt auf dein Rennfahrerdress.«
    »Ja, ich auch.«
    »Lass dir was einfallen. Hör dir zum Beispiel mal Strawinskys Feuervogelsuite an. Vielleicht inspiriert dich das.«
    Ja, schon gut, ich habe verstanden. Irgendwie habe ich so eine Ahnung, dass ich mir heute Abend beim Fußball so übel den Knöchel verstauchen werde, dass ich nicht antreten kann.
    UMPTA ! … UMPATUMPTA ! … UMPTA IHH IHH IHH ! … IHHH ! … UMPATUMPTA !
    Ah, wir sind schon bei der nackten Tänzerin. Daniel guckt gebannt. Ich glaube, er kommt auch ohne mich klar. Vielleicht kann ich jetzt endlich den Brief an die Venture-Capital-Firmen schreiben. Laptop an und Finger gespreizt.
    Also, es geht um Gefühle.
    Sehr geehrte Damen und Herren, …
    …
    … und fertig. Wow! Keine zehn Minuten gebraucht. So muss das gehen. Noch einmal durchlesen. Jawoll. Klingt seriös, trotzdem knackig und macht neugierig.
    »Papa, kann ich noch mal den modernen Ballett gucken?«
    Jaja, von mir aus. Ich spule die Kassette zurück und starte noch einmal.
    UMPTA

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