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Schief gewickelt (German Edition)

Schief gewickelt (German Edition)

Titel: Schief gewickelt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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verursachtes Kindheitstrauma einen guten Schritt näher. Ein rollendes Fahrrad ist ein perfekter Ort, um sich auszuheulen. Viel besser als der oft bevorzugte einsame Keller. Man ist an der frischen Luft, und trotzdem kann einen keiner lange anstarren. Und bis wir am Ziel angekommen sind, ist alles längst wieder getrocknet. Therapie on-the-go. Könnte man auch ein Start-up draus machen. Aber immer schön eins nach dem anderen.
    Eigentlich meidet man als Radfahrer ja den Alexanderplatz wie der Gothic-Rocker das Hawaiihemd, aber wir müssen nun mal zu Saturn. Mist. Ich hätte natürlich vorher noch nachsehen sollen, welchen Rasierapparat Herr Baumer benutzt. Nicht auszudenken, wenn ich jetzt mit einem höherwertigen Gerät anrücke. Dann hängt wieder mal der Haussegen schief, und Herr Baumer (Ludger) lässt nächste Woche womöglich seine Türklinken vergolden.
    Egal. Ich muss es drauf ankommen lassen. Ein zweites Mal quäle ich mich nicht hierher. Also los. Daniel heruntergehoben und Fahrrad angekettet.
    »Halt, bleib hier!«
    »Aber ich muss den Regenschirm gucken.«
    »Wo ist denn da ein Regenschirm?«
    »Da vorne. Aber es regt doch gar nicht. Das ist ja ein Quatsch.«
    »Ich seh keinen Regenschirm.«
    »Doch! Daha!«
    »Ach so, du meinst den Grillwalker.«
    Ein paar Meter vor dem Saturneingang steht tatsächlich so eine bedauernswerte Kreatur im Getümmel. Mit einem vor den Bauch geschnallten Grill bei 26 Grad im Schatten Würste grillen. Da hat man wahrscheinlich selbst vor der Hölle keine Angst mehr. Quasi als humanitäres Feigenblatt wird der Grillwalker von einem am Rücken befestigten Sonnenschirm beschattet. Als würde ihm die Grillhitze nicht ohnehin schon den Rest geben.
    »Papa, was ist ein Grillwohker?«
    »Äh, der verkauft Würste.«
    »Sind die lecker?«
    »Ich weiß nicht. Komm, wir kaufen jetzt den Rasierer.«
    Ich zerre Daniel durch die Saturneingangstüren.
    »Oh, schon wieder ein Rackenrohl. Kann ich den haben?«
    Manno, müssen die ihre dämlichen Guns ’n’ Roses- CD -Restposten gleich am Eingang verhökern? Es dauert eine kleine Ewigkeit, bis wir bei den Rasierapparaten sind. Zum Glück steht in Sichtweite ein Fernseher, auf dem ein Tanzvideo läuft. Ein perfekter Ort, um Daniel zu parken, während ich mich in aller Ruhe der Rasierapparatereihe widmen kann.
    »Oho, ich seh schon, der Herr braucht dringend einen neuen Rasierer.«
    Ganz recht, Schlaumeier. Meine Gesichtsbehaarung ist heute recht asymmetrisch. Braunis Tod kam nämlich unerwartet. Aber wenn ich mir deinen Pornobalken ansehe, frage ich mich, wer von uns beiden hier dringender einen Rasierer braucht.
    »Hier hätte ich etwas ganz Hervorragendes für Sie. Mit mikro-oszillierendem Scherkopf, aktivem Integralschneider und automatischer Selbstreinigung. Damit sparen Sie Zeit und … «
    »Sind Sie wahnsinnig? Keine Sonderfunktionen! Ich will den einfachsten Rasierer, den Sie haben. Am besten einen gebrauchten … «
    Eine Viertelstunde später sind wir wieder draußen. Der Rasierapparatkarton passt in die Papatasche, Daniel hat gute Laune, alles in allem könnte das noch ein perfekter Tag werden.
    »Papa, jetzt eine Wurst von dem Grillwohker essen?«
    Na gut. Eine kleine Belohnung, weil er bis jetzt alles so wunderbar mitgemacht hat. Warum nicht. Ich überwinde meinen inneren Widerstand und nähere mich vorsichtig dem Grillwalker. Der Mann steht in einem Hitzeball. Jeder, der eine Wurst will, muss da rein. Ich reiße mich zusammen und mache einen mutigen Schritt nach vorn. Es ist noch schlimmer, als ich es mir vorgestellt habe. Als Grillwalker muss man wohl entweder über eine eiserne Konstitution verfügen oder früher am Hochofen gearbeitet haben. Keine glasigen Augen, keine Anzeichen aufkeimenden Wahnsinns. Die gefühlte Zeit dehnt sich und dehnt sich. Endlich halte ich eine Thüringer mit Senf in den Händen und sehe zu, dass ich Land gewinne. Wie angenehm kühl es doch in der prallen Sommersonne sein kann.
    »Komm, wir setzen uns auf die Stufen.«
    Ich schneide die Wurst in danielmundgerechte Happen. Er greift zu und ist glücklich. Vor allem der Senf hat es ihm angetan. Natürlich schafft er nur die Hälfte. Ich will schon aufstehen und den Rest entsorgen, aber nein.
    »Kannst du essen, Papa.«
    »Och nee, Daniel. Ich mag jetzt keine Wurst.«
    »Is lecker.«
    »Nee, lass mal.«
    »Aber ich fütter dich. Hehe.«
    Nicht dass ich prinzipiell etwas gegen Bratwürste hätte, aber ohne die Zutaten Schatten, Grün und Bier wollen sie

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